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Danke

Wir möchten uns bei Euch allen für Eure Reisebegleitung per Mail, Skype, Blog, SMS, Telefon, facebook oder sonst wie bedanken. Über ein Jahr lang seid Ihr mit uns unterwegs gewesen, habt an unserem Leben teilgenommen und unser Abenteuer mit uns geteilt. Wir waren weit weg, manches Mal in sehr entlegenen Regionen dieser Welt, aber Ihr habt uns immer das Gefühl gegeben, nie verloren gehen zu können.

Es ist schön, ein solches „Zuhause“ zu haben! Danke!

Uns bleibt nur zu sagen:

Fortsetzung folgt. Demnächst in diesem Kino…….so oder so ähnlich :-). In den Hauptrollen Eure

 

Hugo und Daniela

 

 

Nachmachen empfohlen

Zurück zur Frage: War unsere Entscheidung die richtige? Nach rund 20.000 Seemeilen, knapp 40.000 gefahrenen Kilometern, fast 9.000 Litern verbrauchten Diesels, über 200 verschiedenen Übernachtungsplätzen und 42 neuen Stempeln im Reisepaß können wir definitiv und ohne Einschränkung sagen: Ja, genau richtig.

Sind wir jetzt um einen Lebenstraum ärmer? Das könnte man denken, aber so ist es nicht. Im Gegenteil: Viele neue Träume, neue Ideen, neue Wünsche sind auf dieser Reise entstanden, und das ist gut so.

Hattet ihr Heimweh? Nein, hatten wir nicht. Aber wir hatten oft den ganz starken Wunsch, alle unsere Lieben, unsere Familien und unsere Freunde, nach Südamerika beamen zu können, um sie an den schönen Erlebnissen und Momenten teilhaben zu lassen. Schade, daß das noch nicht geht.

Ist so eine Reise teuer? Nein, ist sie nicht; sie ist unbezahlbar. Aber mit jedem gefahrenen Kilometer, mit jeder Begegnung, mit jedem Tag sind wir reicher geworden. In seiner Autobiographie „The Fairy Tale of My Life“ hat Hans Christian Andersen so schön geschrieben:

To move, to breathe, to fly, to float,
To gain all while you give,
To roam the roads of lands remote,
To travel is to live.

So sehen wir das auch. Die Welt ist schön – das Leben endlich. Jeder muß für sich selbst entscheiden, was ihm wichtig ist. Für uns ist es das Weltentdecken. Wenn Ihr auch von einer großen Reise träumt, dann faßt Euch ein Herz und macht es uns nach. Es ist ganz einfach: Wenn die Entscheidung gefallen und der erste Schritt getan ist, geht der Rest von ganz alleine.

Aber Vorsicht: Auf diese Art zu reisen macht süchtig!

Blick zurück

Unser Luxusjahr ist um – schon – und wir werfen einen Blick zurück. Auf Altweiberdonnerstag starten wir in Düsseldorf mit dem Hamburger Hafen als Tagesziel. Auf dem letzten Foto sind wir als Teufelchen und Biene Maja zu sehen. Dann der Abschied von der Familie, der Schmerz ist groß, sitzt wie ein Widerhaken in der Seele, läßt Tränen hemmungslos fließen. Für einen Moment sind selbst Hugo und ich fassungslos, daß unser Abenteuer jetzt wirklich losgehen soll. So viele Monate haben wir darauf hingearbeitet, jetzt ist der Augenblick plötzlich gekommen.

Ist die Entscheidung, unsere Jobs aufzugeben und unsere Familien vorübergehend zu verlassen, um unseren Lebenstraum zu verwirklichen, die richtige? Mut und Dummheit sind bekanntlich Geschwister. Sind wir mutig? Oder doch nur dumm? Wird sich das Abenteuer als zu groß für uns erweisen? Wir brechen auf mit einem großen Koffer voller Fragen an Bord. In Hamburg gehen wir am nächsten Tag an Bord der Grande San Paolo. Das Abenteuer kann beginnen.
Vor uns liegen 3 ½ Wochen Überfahrt bis Montevideo. Glauben wir – noch. In der Einfahrt zur Biscaya ist bereits kurze Zeit später vorläufig Schluß. Ein starker Sturm hindert uns an der Weiterfahrt und wir müssen ihn zwei Tage auf Reede abwettern, bis sich die aufgewühlte See halbwegs beruhigt und die Wellenberge gelegt haben.

Über Leixoes und Casablanca geht es weiter nach Dakar. Wir erfahren, daß sich das Routing geändert hat und die Grande San Paolo einen Umweg über Luanda/Angola fahren wird. Die Reise wird also deutlich länger dauern. Vor uns liegen sieben Seetage bis Luanda, von dort aus weitere neun nonstop bis Paranagua. Die Atlantiküberfahrt ist ruhig und ereignislos, die Wolken hängen tief über der See, ab und an bekommen wir Besuch von Delfinen und Walen. Kaffee, Obst und Gemüse werden an Bord knapp und rationiert. Entbunden von allen Rechten und Pflichten fügen wir uns ins Nichtstun und lassen uns treiben. Wir sind losgelöst von Raum und Zeit.

Von Paranagua geht es zunächst an Montevideo zur Rechten und Buenos Aires zur Linken vorbei durch das große Flußdelta nach Zarate, anschließend erst nach Montevideo. Dann morgens beim Aufwachen eine „böse“ Überraschung: Wir fahren wieder mit Kurs auf Afrika. Nein, man hat nicht vergessen, uns abzusetzen, wie wir zunächst befürchten, sondern der Sturm ist so schlimm geworden, daß kein Schiff den Hafen von Montevideo anlaufen kann. Wir kreisen mit rund siebzig anderen Schiffen die Küste 200 Kilometer rauf und runter, Tag und Nacht, Tag und Nacht. Dann, nach insgesamt 6 ½ Wochen, dürfen wir endlich von Bord der Grande San Paolo rollen.

Wir sammeln erste schöne Erfahrungen mit Land und Leuten in Uruguay und ändern spontan unseren Plan. Wir fahren nach Brasilien, erst ein Stück die Küste mit ihren schönen einsamen Stränden hinauf, dann nach Florianopolis, von dort aus quer durch das Land nach Iguacu zu den Wasserfällen, später durch die reiche Tierwelt des noch unter Wasser stehenden Pantanals mit seinen Ameisenbären, Tapiren und Caymanen.

Bolivien beeindruckt uns mit seinen gigantischen Andengipfeln, der klaren Luft, dem leuchtend türkisfarbenen Titicacasee und der fast beängstigenden Leere und Einsamkeit der Salzseen und Hochebenen über 4.000 Metern. Bolivien fordert uns zugleich stark: Die Pisten sind schlecht bis nicht vorhanden, die Einheimischen auf dem Altiplano im Umgang schwierig und die Höhenanpassung ist anstrengend. Wir trinken und essen wie körperliche Schwerstarbeiter, aber als wir Bolivien Richtung Peru verlassen sind wir fünf Kilo leichter.

Dann ist es schon August und der Besuch unserer Kinder, Florian und Dina, steht an. So wird die Zeit bis zum Wiedersehen nicht ganz so lang und wir freuen uns sehr auf die gemeinsamen Wochen.

Cusco und Machu Picchu in Peru zeigen sich von ihrer schönsten Seite und halten, was ihr Mythos verspricht. In Tacna wird unser Wagen aufgebrochen und für ein paar Tage sind wir Gäste nicht nur bei der Polizei, sondern auch die Breaking News in den lokalen Medien. Von der hier in Europa fast unbekannten wüstenhaften Paracas-Halbsinsel möchten wir kaum noch weg.

Chile fahren wir vom ersten Meter im Norden der eintönig rotbraunen Atacama-Wüste bis zum letzten Meter der schlaglochübersäten Carretera Austral durch den immergrünen valdivianischen Regenwald hinunter bis zum patagonischen Eisfeld, dann geht es noch weiter durch die windige Einöde Feuerlands. Das Land der schneebedeckten Vulkane zeigt sich in jeder Hinsicht von seiner besten Seite: Spektakuläre Landschaften wechseln sich in kurzer Folge ab und die Menschen sind absolut liebenswert.

Die Weite und Leere der argentinischen Pampa dagegen läßt uns schrumpfen. In dem ewigen Wind und nur von Büschelgras umgeben haben wir das Gefühl, weggeblasen und wie ein Staubkorn zerrieben zu werden. In Ushuaia, am südlichsten Punkt des Kontinentes, sind wir gefühlt am Ende der Welt und erleben den Beagle-Kanal bei allerschönstem Wetter – wir haben unverschämtes Glück.

Entlang der Ostflanke der Anden besuchen wir den Nationalpark Los Glaciares, die alten Wälder bei Bariloche, die großen Weinanbaugebiete rund um das heiße Mendoza, den staubigen Saurierspielplatz von Ischigualasto und die verschwiegenen wunderschönen Hochtäler westlich von Salta.

Gibt es einen Ort, der besonders schön ist? Der alles andere toppt? Diese Frage wird uns oft gestellt und die wir ehrlich nur mit“ nein“ beanworten können. Wir haben viele schöne Plätze, Orte und Landschaften erlebt, aber einen Favoriten gibt es nicht. Würden wir einen Ort zum Favoriten erklären, würden wir Tausend anderen damit Unrecht tun.

Für Hugo waren seine Flüge mit dem Drachen und Gleitschirm die Highlights der Reise, ganz besonders in La Paz vor den schneebedeckten Andengipfeln auf 5.300 Metern, im goldenen Licht des Sonnenuntergangs bei El Bolsón, über der großen Sanddüne von Iquique an der chilenischen Küste und in Ushuaia oberhalb des Beagle-Kanals, im Blick die zerklüfteten Gipfel der Kordilleren.

Mich haben die spektakulären Wasserfälle von Iguacu tief beeindruckt. Daß sie schön sind, wußte ich von vielen Dokumentationen, aber gleich soooo schön… Ein „Muß“ für jeden Brasilienurlaub! Gleiches gilt für Machu Picchu: Meine Erwartungshaltung war groß und ich hatte Angst, enttäuscht zu werden, aber der Magie dieses Ortes kann man sich wirklich nicht entziehen.

Mein Herz … mein Herz habe ich aber an die unberührte Schönheit Patagoniens verloren, an die blau-leuchtenden Gletscher und Eisfelder, die einsamen Strände, die Stille des immergrünen kalten Regenwaldes, das sich ständig wandelnde Gesicht des Himmels, an das einfache Leben in der Natur, an das Licht. Hier hätte ich bleiben können. Hierher werden wir zurückkehren. Irgendwann.

Wir haben auf unserer Reise viel erlebt und ja, es war ein Abenteuer in mancher Hinsicht. Unbekannte Länder und Kulturen, jeden Tag neue fremde Menschen, fremde Sprachen, Leben auf engstem Raum, oft bei widrigen Wetterverhältnissen. Immer wieder Unvorhergesehens, immer wieder neue Herausforderungen. Dabei begegnet man unweigerlich auch sich selbst. Das muß man aushalten.

Wir haben viel gesehen, und doch so wenig. Der Kontinent ist riesig und die Distanzen sind nicht mit denen in unserem kleinen Europa zu vergleichen. Südbrasilien, Bolivien, Peru, Chile, Uruguay, Argentinien haben wir auf dieser Tour bereist; gerne möchten wir noch die Länder im Norden des Kontinents kennen lernen. Sie warten schon auf uns und Unimoppel.

Ankunft zuhause

Mit der guten alten Lufthansa fliegen wir von Genua nach Düsseldorf. Es geht über die Alpen, dann sind unter uns die grünen, klein parzellierten Felder Bayerns und die Autobahnen, von denen sie zerschnitten werden, zu sehen. Wir sind zuhause – fast. Beim Zwischenstopp in München erschlägt uns das Angebot in den Geschäften und Restaurants des Flughafens. Diese Vielfalt sind wir nicht mehr gewöhnt und bei der Kinderschokolade können wir dann auch nicht nein sagen.

Landeanflug Düsseldorf am Abend. Ich bin so zappelig und voller Vorfreude, daß ich nicht mehr stillsitzen kann. Durch die kleine Scheibe betrachte ich Deutschland von oben, entdecke den Rhein mit seinen vielen Schleifen. Jetzt ist es nicht mehr weit. Trotzdem, … die Minuten ziehen sich. Der Pilot bringt die Maschine sanft runter, unser Gepäck ist auch sehr schnell da, wir stürmen durch die großen Glastüren in die Ankunftshalle und werden von meiner Tochter und meinem Vater freudestrahlend erwartet. Emotionen pur.

Wir fahren mit dem Taxi nach Hause, schauen aus dem Fenster. Jede Minute des „Nachhausekommens“ nehmen wir ganz deutlich war, genießen sie. Ein seltsames Gefühl. Und ein seltenes. Vertraut, und doch anders. In unserer Wohnung ist der Tisch bereits üppig mit allem, was wir in Südamerika entbehren mußten, für das Abendessen gedeckt: Vollkornbrot, Camembert, Hausmacher Leberwurst, Schinken, Nutella…selbst die Dickmanns-Box.

Wir sind zuhause. Alles ist gut.

Malaga

Eigentlich hätten hier schöne Bilder von Malaga stehen sollen, stattdessen können wir nur wildgewordenes Wasser zeigen. Schon seit der Einfahrt in die Straße von Gibraltar hat der Sturm stetig zugenommen und jetzt eine solche Stärke entwickelt, daß Malaga nicht angelaufen werden kann. Es geht weiter mit direktem Kurs auf Genua. Das Schiff stampft und schlingert durch die hohen Wellenberge, der Aufenthalt an Deck ist nicht mehr gestattet und wir vertrödeln die Zeit mit Sport, lesen, essen … vielleicht auch in umgekehrter Reihenfolge.

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Lanzarote

Wir mieten uns in Arrecife einen Wagen und schaffen es, in der Rekordzeit von nur fünf Stunden die gesamte Insel und ihre Highlights abzufahren, mehr Zeit haben wir leider nicht. Also schauen wir uns in Highspeed Yaiza, den Nationalpark Timanfaya mit seinen Feuerbergen, das Weinanbaugebiet von La Geria, Puerto del Carmen und das Mirador del Rio an. Rechtzeitig sind wir auf dem Schiff zurück.

Maceio

Wir liegen mit Blick auf die Syline der Millionenstadt am Pier; durch die Panoramascheiben des Fitnesscenter können wir eine Stunde lang Delfine beobachten, die unmittelbar neben dem Schiff im türkisfarbenen Wasser spielen. Später schlendern wir den endlosen, mit hohen Palmen bewachsenen Bilderbuchstrand entlang und genießen lokale Fischküche in einem der Restaurants. Es fühlt sich wie Ferien an. Alles ist friedlich, aber es täuscht. Maceio ist – zumindest statistisch betrachtet – die gefährlichste Stadt Brasiliens: Alle zwei Stunden ein Mord.

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Salvador de Bahia

Auf den Besuch dieser Stadt haben wir uns sehr gefreut, denn sie ist ein Highlight Brasiliens. Hier beginnt das afrikanische Brasilien; die Herkunft der Bewohner – alle Nachkommen von ehemaligen Sklaven – ist unverkennbar. Farbe und Musik bestimmen hier den Alltag. Der volle Name der Stadt ist São Salvador da Bahia de Todos os Santos (Heiliger Erlöser von der Bucht der Allerheiligen). Sie liegt an der Allerheiligenbucht, benannt nach dem Tag der Ankunft der ersten Seefahrer, dem 1. November 1501.

Salvador ist auf verschiedenen Ebenen einer Bergkette gebaut, welche die Stadt in eine Oberstadt  – cidade alta – und in eine 70 Meter tiefer gelegene Unterstadt – cidade baixa – teilt. Die Stadt ist bunt, die pastellfarbenen Häuser im Zentrum sind gut erhalten und gepflegt. Man setzt ganz klar auf Tourismus.

Buzios

Das Dorf an der Costa do Sol liegt rund 200 km nördlich von Rio de Janeiro auf einer hügeligen Halbinsel. Nach wie vor ist der Fischfang dort zuhause, aber seit Jacques Cousteau und Brigitte Bardot den Ort Anfang der 60er Jahre für sich entdeckt hatten hat sich zunehmend der internationale Tourismus etabliert. Wir bummeln die endlos lange Promenade entlang. Die Strände sind unverbaut, kein Gebäude höher als maximal zwei Stockwerke, Bettenburgen gibt es nicht, stattdessen kleine private Pousadas. Schöne gestaltete Boutiquen und Gastronomie auf hohem Niveau verleihen dem Dorf einen Hauch von Cote d´Azur.

Rio de Janeiro

Dichte Wolken liegen über der Stadt, die grünen, dicht bewachsenen Berge sind regenverhangen, zweitweise gießt es in Strömen. Der Regen ist warm und hält uns nicht davon ab, die Copacabana entlang zu bummeln. Der weltberühmte Strand mit dem Zuckerhutpanorama schmiegt sich kilometerlang in die weitläufige Bucht. In den kleinen Strandbars tobt trotz des Regenwetters das Leben: Es wird getrommelt und barfuß getanzt, gelacht und gesungen, gegessen und getrunken. Zum Glücklichsein und Spaß haben muß man hier weder schön noch reich sein. Niemand trägt Designerkleidung, niemand hat die Silhouette eines Models. Ein keckes Hütchen auf dem Kopf, werden zum Sambarhythmus der Band ausladende Hüften geschwungen, egal ob schwarz oder weiß. Die Atmosphäre ist locker, der Caipirinha lecker.

Zurück nach Europa

Ab jetzt ist alles „privat“, denn wir machen Urlaub vom Reisen. An Bord der Lirica werden wir es uns gut gehen lassen, von üppigen Buffets schlemmen, uns mit professionellen Shows unterhalten lassen, Cocktails genießen, dem People Watching frönen. Heißt, wir reduzieren unsere Berichterstattung ab sofort auf knappe Highlights und einige Fotos.

Von Rio de Janeiro aus wird die Überfahrt drei Wochen dauern. Sie führt entlang der brasilianischen Küste nach Santos, Buzios, Salvador de Bahia, Maceio und Fortaleza. Dann verlassen wir den südamerikanischen Kontinent und nehmen über den Atlantik Kurs auf Europa. Dort angekommen laufen wir noch Teneriffa, Lanzarote, Alicante und Malaga an, bevor wir in Genua das Schiff verlassen und die letzte Reiseetappe mit dem Flugzeug bewältigen.

Düsseldorf – wir kommen!

Abschied von Unimoppel

Sandra und Enrique haben sich bereit erklärt, uns zur Fähre nach Colonia del Sacramento zu bringen. Wir stellen Unimoppel im hohen gelben Gras in der Nähe des Haupthauses ab und übergeben ihn samt Schlüsseln, Papieren und einigen Erklärungen an die beiden. Es fühlt sich ein bißchen so an, als übergebe man ein Haustier, an dem das Herz sehr hängt. Ich kann mich jedenfalls bei der Abfahrt nicht umdrehen, der Kloß im Hals drückt zu sehr und ich muß einen langen Moment in den Himmel gucken.

Mit der Übergabe des Wagens wird uns unvermeidlich klar, daß das jetzt nun wirklich das Ende unserer Reise mit dem Unimog ist. Der Moment des Abschieds, von dem wir vor einem Jahr noch nicht wußten wie schnell er kommen würde, ist da. Die Zeit, die wir uns geschenkt haben, unser „Luxusjahr“, ist um.

Ein ganzes Jahr war Unimoppel unser Zuhause. In den Wüsten und den Tropen, auf den Gipfeln der Anden und an den Küsten der Meere, bei Sonne, Regen und Temperaturen deutlich unter Null, auf Sand, Salz, Schotter, Schlamm und Asphalt. Er hat geächzt und gestöhnt, zeitweilig schwarzen Rauch ausgepustet, sich und uns manches Mal gewaltig durchgegeschüttelt, aber er hat uns nie im Stich gelassen. Leben auf nur 7,5 Quadratmetern, aber es hat uns an nichts gefehlt.

Es wird ihm gut gehen hier auf der Farm in Uruguay. Hier, als einzigem Land in Südamerika, darf er bis zu einem Jahr stehen bleiben, ohne das teure Zollgebühren fällig werden. Sollten wir bis dahin keine Gelegenheit zu einer weiteren Reise mit ihm haben, wird Enrique ihn mal kurz über die Grenze nach Brasilien oder Argentinien und wieder zurück fahren. Danach kann er ein weiteres Jahr stehen bleiben. Für den Fall, daß wir Unimoppel doch nach Europa holen möchten, weil wir ihn zu sehr vermissen, buchen wir eine Überfahrt und Enrique wird ihn in Montevideo auf einen Frachter setzen.

Das Terminal im Hafen von Colonia ist topmodern, wir checken uns und unser Gepäck – mit Gleitschirmausrüstung, Drachengurtzeug, Helm usw. immerhin üppige 100 Kilo – wie auf einem Flughafen ein, und schon kurze Zeit später startet die voll besetzte Fähre, um uns in 1 ½ Stunden über den Rio de la Plata auf die argentinische Seite zu bringen. Der Wind bläst seit ein paar Tagen heftig, der Wellengang in der Flußmündung ist stark und die Fähre schaukelt gewaltig. Der Aufenthalt an Deck wird untersagt, die Türen geschlossen, vorbei ist es mit der frischen Luft. Gut, daß wir uns für die schnelle, wenngleich etwas teurere Fähre entschieden haben: Das reguläre Schiff benötigt für die Überfahrt die doppelte Zeit.

Mit dem Taxi geht es nach der offiziellen Einreise in Argentinien weiter zum internationalen Flughafen von Buenos Aires und von dort … nein, noch immer nicht nach Hause. Wir schieben, wo wir nur können :-). Wir haben uns gegen einen vierzehnstündigen Flug in einer Sardinenbüchse mit minimaler Beinfreiheit, Dudelmusik und müffelnden Mitreisenden entschieden. Nach unserer langen Tour durch Natur und Einsamkeit befürchten wir außerdem einen lebensbedrohlichen Kulturschock, wenn wir in Deutschland völlig übernächtigt und mit Jetlag ungebremst in den Alltag purzeln. Wir sind mit dem Schiff gekommen und kehren jetzt auch mit dem Schiff nach Europa zurück, haben aber den spartanischen Frachter gegen ein komodes Kreuzfahrtschiff ausgetauscht. Über Nacht und via Sao Paulo fliegen wir nach Rio de Janeiro.

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Countdown

Irgendwann kommt das Unvermeidliche: Bis zuletzt haben wir diesen Zeitpunkt hinausgezögert, aber jetzt müssen wir zusammenpacken und nach Colonia del Sacramento, 180 Kilometer westlich von Montevideo, aufbrechen. Dort werden wir Unimoppel auf der Farm von Sandra – einer Deutschen – und ihrem urugayischen Mann Enrique bis zum nächsten Einsatz stehen lassen, gut betreut und im Kreis von rund fünfzehn anderen, ebenfalls temporär geparkten Overlandern aus aller Herren Ländern.

In Montevideo gibt es bei einem Zwischenstopp noch ein feines Babybeef in einer Parrilla in den Markthallen am Hafen. Genau dort haben wir mit Celi, Brigitte und einer Freundin der beiden zu Beginn unserer Reise gegessen. Für Menschen, die auf Paläodiät schwören, ein Paradies, für Vegetarier schlichtweg die Hölle. Bei einem kurzen Stadtbummel durch das historische Zentrum zeigt sich, daß Montevideo einst eine sehr wohlhabende Stadt gewesen sein muß. Heute sind einige Viertel schon arg mitgenommen und verfallen, aber die alte Pracht in der ciudad vieja, der Altstadt, läßt sich noch erahnen.

Colonia del Sacramento ist die älteste europäische Siedlung in Uruguay und wurde einst von den Portugiesen als Gegenpol zu Buenos Aires auf dem östlichen Ufer des Rio de la Plata gegründet. Das historische Zentrum mit seinen geduckten Kolonialbauten, dem holprigen Kopfsteinpflaster, den schmiedeeisernen Gittern und den verschwiegenen Plätzen mit viel Grün zählt heute zum UNESCO Weltkulturerbe. Die schlamm-braunen Fluten des Rio de la Plata, nicht der längste, aber der breiteste Fluß der Welt, münden hier in den blauen Atlantik. Der Fluß ist so breit, daß man die gegenüberliegende Seite und Buenos Aires nicht sehen kann. Man hat den Eindruck, an einem braunen Meer zu stehen.

Auf der Farm von Sandra und Enrique klären wir die Formalitäten und offenen Fragen, bevor wir an einen kleinen Strand zum Übernachten fahren. Außer vielen Vögeln und ein paar Fischern sind wir hier völlig allein.

Am nächsten Tag fahren wir zum Fähranleger in Colonia und kaufen zwei Tickets für die Schnellfähre nach Buenos Aires drei Tage später. Wenige Kilometer von der Farm entfernt können wir uns auf einem außerhalb der Saison fast völlig verwaisten Campingplatz mit hohen Bäumen und unzähligen Vögeln einrichten, um den Wagen zu überholen. Der Campingplatzbetreiber ist überaus zuvorkommend und stellt uns sogar seinen Hochdruckerreiniger zur Verfügung.

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Bevor wir den Wagen bei Sandra und Enrique abstellen ist eine Grundüberholung erforderlich: Der Sand und Schlamm muß abgespült, die Trinkwassertanks entleert und desinfiziert, Roststellen entfernt und überstrichen, etliche Dinge im Wagen umgeräumt und gesichert werden. Wir bauen immer mehr um den Wagen herum auf – Matratzen, Schlafsäcke, Werkzeugkisten, Ersatzteile, Schläuche, Kanister, Gummistiefel –, in kürzester Zeit ist unser gesamtes Hab und Gut verteilt und es sieht ziemlich chaotisch aus. Gut, daß niemand anderers da ist und wir viel Platz haben. Ich frage mich, ob wir bis zur Abreise alles wieder an den richtigen Platz schaffen.

Bei all dem wüsten Treiben haben wir zwei neugierige Besucher: Unter einer Holzpalette kommen um die Mittagszeit, wenn sie offensichtlich ausgeschlafen haben, zwei große Geckos von ungefähr 1,50 Metern Länge hervor und beäugen uns neugierig. Wir können uns ihnen bis auf ungefähr einen Meter nähern, bevor sie davon flitzen. Kekse mögen sie nicht, aber rohe Eier…

Dann ist es geschafft: Unimoppel ist blitzsauber und glänzt wie neu, na ja, fast jedenfalls. Wir fahren ein letztes Mal durch die Felder zu Sandra und Enrique.

Weißt du noch…?

Wir zockeln über die gut ausgebaute Costanera aus Montevideo hinaus mit dem Ziel Punta del Este und biegen dann auf die alte, den Strand entlang führende schmale Straße ab. In Maldonado, dem mondänen Vorort Puntas, besuchen wir für eine Nacht den „Weihnachtsmann“. Wir haben Glück, Franz und seine Frau sind in ihrem Feriendomizil auf dem Campingplatz zuhause und freuen sich über das Wiedersehen genauso sehr wie wir. Bei Wein und Käse bedanken wir uns für die vielen hilfreichen Tipps für Südbrasilien, die er uns vor einem Jahr gegeben hat, und seine großzügige Einladung nach Gramado, wo wir einige Tage bei seinem Hotel stehen durften und von Shanie, seiner Tochter, liebevoll mit dem schönsten Frühstück umsorgt wurden.

In Punta del Este fahren wir noch einmal die schönsten Stellen an der Küste ab, unterhalten uns mit vielen „weißt du noch?“ im Text und geben uns ein letztes Mal einer Sushi-Orgie hin. Wie schon im Jahr zuvor ist die Stadt recht ruhig, die weißen Sandstrände sind fast menschenleer. In „unserem“ Supermarkt kaufen wir noch ein paar Lebensmittel ein und auf der Strandpromenade in Piriapolis gönnen wir uns noch einmal ein großes Eis in „unserer“ Eisdiele… weißt du noch? Vor einem Jahr haben wir am gleichen Platz gesessen, auf das gleiche Meer geschaut, und plötzlich sind die alten Gefühle wieder da, dieses Nichtwissen, was während unserer Reise auf uns zukommt, diese angespannte, alles umfassende Vorfreude. Zwei glückselige Kinder am Abenteuerheiligabend.

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In den Dünen finden wir einen schönen Stellplatz mit Panoramablick. Die Sonne schenkt uns spektakuläre Auf- und Untergänge und in der Dämmerung hoppeln wilde Meerschweinchen um uns herum, sonst ist kaum jemand hier.

Hugo sammelt Treibholz und kurz darauf brennt ein romantisches Lagerfeuer.

Der Kreis schließt sich

Wir durchqueren die grüne, wenig abwechslungsreiche Landschaft von Entre Rios und erreichen das Ufer des Rio Uruguay, den „Fluß des bunten Vogels“, der die Grenze zu Uruguay bildet. Über eine steile Brücke geht es hinüber auf die andere Seite, dann erfolgt die unkomplizierte Aus-/Einreise beim Grenzübergang Fray Bentos.

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Hier, an diesem einfachen Grenzübergang, stauen sich lange Schlangen von LKW, die überwiegend mit landwirtschaftlichen Gütern und Holz beladen sind. In den Nischen zwischen den unzähligen, völlig eingestaubten Wagen floriert der heimliche Tauschhandel: Säckeweise finden hier Zwiebeln, Orangen, Mais und auch manches Handy einen neuen Besitzer. Die Offiziellen schauen weg oder mischen munter mit. Mit unserem Unimog sind wir schnell mit den Menschen in Gespräche verwickelt, werden in der Abfertigungsschlange zuvorkommend vorgewunken und sind schwupps dort, wo alles für uns begann.

Wir sind wieder in Uruguay und unser Reisekreis hat sich nach einem Jahr fast geschlossen. Wir erledigen die Grenzformalitäten mit erstaunlich wenig Papierkram, dann knallt der Gedanke an das bevorstehende Ende unserer Tour mit Wucht in unser Bewußtsein und nimmt uns für einem Moment die Luft. Ziemlich schweigsam verbringen wir die nächsten Stunden. Ist die Zeit unserer Reise wirklich und wahrhaftig schon um? Ja, fast. Ein paar Tage bleiben uns noch.

Vor uns liegen noch gut vierhundert Kilometer quer durch das Land bis nach Montevideo. Die Fahrt ist schön, die Ortschaften, die wir passieren, sind einfach und authentisch und tragen so schöne Namen wie Dolores, Mercedes oder Rosario. Uruguay hat uns am Anfang unserer Reise mit seiner Aufgeräumtheit, seiner Gelassenheit schon positiv überrascht und dieser erste Eindruck verstärkt sich jetzt noch.

Nach weiteren zwei Tagen durch sanft-hügelige Felder, Wiesen und Weiden liegen das Blau des Atlantik und das Häusermeer Montevideos vor uns.

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Wir fahren die doppelspurige Uferstraße entlang, vorbei am Hafen und dem großen Tor, durch das wir ein Jahr zuvor mit unserem Unimoppel nach 46 Tagen Atlantiküberfahrt von Bord der Grande San Paolo rollten, voller Spannung, voller Erwartungen, voller Neugier, was dieser Kontinent für uns bereit halten würde. Wie wird das Jahr wohl werden? Wird alles klappen? Alles gutgehen? Greenhorns, die wir damals waren, hatten wir bei unserer Ankunft in Südamerika nur ein kleines Vorgefühl, wie reich an schönen Erlebnissen wir ein Jahr später sein würden.

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Jetzt müssen wir uns entscheiden, wie und wo wir unsere letzten Tage verbringen möchten. Ein paar Tage Stadt mit Tango, Kultur, Nightlife und Sightseeing in Buenos Aires erleben oder die Reise doch lieber in der Abgeschiedenheit der Dünen entlang der Atlantikküste ausklingen lassen? Wir hören auf unsere innere Stimme und entscheiden uns spontan für letzteres. Stadtleben, überfüllte Straßen, ein pralles Konsumangebot und die damit verbundene Hektik werden wir in Deutschland wieder früh genug haben. Längst ist entschieden, daß Unimoppel hier in Uruguay bleibt für eine weitere Reise und so kann Buenos Aires locker warten bis zum nächsten Mal.

Traumhaus

In der Pampa Lechera gibt es offensichtlich auch lila Kühe. Zum Glück sind wir noch immer pappsatt, als wir an diesem „Traumhaus“ vorbei kommen. So schaffen wir es, ohne für Hüftspeck und Reisekasse verhängnisvollen Einkehrschwung daran vorbei zu gehen 🙂

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Wir schlendern den gemächlich dahinfließenden Fluß mit seinem von Sedimenten braun gefärbtem Wasser entlang und besuchen noch kurz die schöne Innenstadt von Paraná.

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Die Stadt ist aufgrund ihrer Lage im Binnenland vom internationalen Tourismus bisher verschont geblieben, aber – vielleicht auch gerade deswegen – absolut sehenswert und wir beschließen, „demnächst“ wieder her zu kommen.

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Big Fish

Es fällt uns schwer, diesen beschaulichen Ort mit seinen herzlichen Menschen zu verlassen, aber die Uhr tickt für uns jetzt unüberhörbar. Noch wollen wir es nicht wirklich wahrhaben und verdrängen es ganz oft, aber so langsam dringt das nahenden Ende unserer Reise jetzt mehr und mehr in unser Bewußtsein. Wir lassen La Calera hinter uns, umfahren Cordoba so gut es geht und nehmen Kurs auf die Provinz Entre Rios, auch Pampa Lechera genannt. „Entre Rios“, weil die Provinz zwischen den beiden großen Strömen Paraná und Uruguay liegt, „Milchpampa“, weil hier die Milchviehwirtschaft Argentiniens beheimatet ist.

Quer durch das Land geht es ostwärts, und je weiter wir uns von den Sierras entfernen desto grüner wird die Landschaft. Durch die starken Regenfälle nördlich von Cordoba vor einigen Tagen fließt das Wasser nur langsam ab. Auf einer Strecke von 300 km stehen bis kurz vor Santa Fe die Weiden noch in großen Teilen unter Wasser.

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Mit 370.000 Einwohnern und einer intensiven Landwirtschaft ist Santa Fe eine der wohlhabendsten Städte des Landes; schon von weitem sieht man die Wolkenkratzer der modernen Skyline in den Himmel ragen. Auch der große Flußhafen ist ein Motor der Wirtschaft: Bis hierher, weit vom Meer und dem Delta des Rio Plata bei Buenos Aires, wo sich die beiden Flüße vereinen, entfernt, können auf dem mächtigen Paraná sogar kleine Hochseeschiffe ihre Ladung befördern.

Wir unterqueren den breiten Fluß durch den Hernandarias-Tunnel und erreichen auf der gegenüberliegenden Seite die „Schwesterstadt“ Paraná, unwesentlich kleiner als Santa Fe, aber Provinzhauptstadt.

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Es ist sehr heiß und Zeit für eine Pause. Entlang des breiten Rio Paraná – der Rhein ist ein Rinnsal dagegen – mit seinen breiten Sandbänken verläuft eine wunderschön angelegte, baumbestandene Uferpromenade und lädt mit kleinen Restaurants zum Verweilen ein. Auf der Karte stehen zahlreiche lokale Gerichte mit Flußfischen, deren Namen ich nie zuvor gehört habe. Voller Appetit und Vertrauen bestelle ich blind und werde nicht enttäuscht. Hugo hat ein Steak mit Zwiebeln und Beilagen bestellt – das ist der hintere Eßteller auf dem Foto – und ich bekomme ein Flußmoster auf einem Teller von der Dimension eines Wagenrades serviert! Ultrafrisch, fein und weiß, auf den Punkt gegart, sehr sehr lecker, nur leider nicht zuschaffen. Wie sehr ich mich bemühe, das filettierte Monster Gabel für Gabel zu bezwingen, nach zwei Drittel ist Schluß.

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Alles Käse

Am nächsten Tag starten wir früh; unser Ziel ist ein Ort in der Peripherie von Cordoba. In Iquique, an der chilenischen Pazifikküste, hatten wir Monate zuvor Gustavo kennengelernt, der uns geradezu „genötigt“ hat, bei ihm vorbei zuschauen, wenn wir in der Gegend sind. „In der Gegend“ heißt in Argentinien im Umkreis von 500 Kilometern, also sind wir in der Gegend…  Wir rumpeln am Nachmittag in La Calera ein, fahren mal wieder eine Einbahnstraße in der falschen Richtung, da die Beschilderung fehtl – upps, macht aber nichts  –  und beziehen mit unserem Dicken im Garten von Gustavo Quartier.

Die Idylle könnte nicht größer sein: Ein altes Steinhaus mit dicken Wänden, umgeben von Schatten spendenden Bäumen mit ausladenden Kronen, im Garten zieht er Bio-Gemüse !!! selbst, hält sich Enten und ein Kaninchen, auf der Weide grasen seine Pferde und vier Hunde unterschiedlichster Couleur von ganz groß bis ganz klein bewachen seinen Hof. Hinter allem ragt sein eigener kleiner Flugberg in den argentinisch-blauen Himmel. Später treffen sich einige Flieger zum Plausch an der Clubhütte.

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Zu einem Flug reicht die Thermik dann doch nicht, aber ein kühles Bier kompensiert so manches. Marcelo hat Kräcker und Käse mitgebracht, der so gut schmeckt, daß wir ihn über den grünen Klee loben und reichlich zulangen. So richtig leckeren Käse haben wir in Südamerika nur sehr selten gefunden, meist schmeckte er ziemlich fade, aber dieser hier mit seinem herzhaften Parmesanaroma ist richtig gut.

Am nächsten Tag planen ein paar Piloten einen Ausflug ins fast drei Stunden entfernte Mina Clavero, einem international bekannten Fluggebiet. Hugo schließt sich ihnen an; ich nutze den Tag und befreie unser Haus vom Staub der letzten Wochen. Marcelo kommt mit seiner sehr hübschen und liebenswerten Frau Soledad vorbei und überreicht uns ein schwergewichtiges Geschenk: einen mindestens fünf Kilo schweren und fast kugelrunden Käselaib! Marcelo arbeitet im Vertrieb des Herstellers und hat unsere Käseversorgung für die kommenden Wochen in seine Hände genommen. Die Gastfreundschaft ist grenzenlos und wir sind wieder einmal überwältigt.

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Goldsucher

Unimoppel ist immer für ein Gespräch gut und bei der Suche nach einem Supermarkt lernen wir in La Cumbre Gloria und Bob kennen, beides Argentinier, die jedoch einige Monate im Jahr bei ihren schon erwachsenen Kindern in Kalifornien leben. Sie laden uns spontan und überschwänglich zu sich nach Hause ein. Wir schaffen es nicht, „nein“ zu sagen, und beschließen stillschweigend per Blickkontakt, einfach noch eine weitere Nacht hier zu bleiben. Warum auch nicht?

Das Haus ist Bobs Elternhaus, weit über einhundert Jahre alt und mit vielen schönen antiken Möbeln und Bildern geschmückt. Sogar der Holzfußboden ist noch original erhalten. Bei Tee und Sandwiches tauschen wir uns aus. Bob erzählt, daß er für einige Wochen im Jahr mit seinem 4×4 zum Goldwaschen in die Berge fährt und sich dort in der Einsamkeit „versteckt“. In einem Glasröhrchen zeigt er uns den Goldstaub, den er geduldig, aber erfolgreich aus dem Sand und Schlamm der Flüsse siebt. Seine Ausbeute kann sich jedenfalls sehen lassen. Dann schleppt er uns in den Garten, wo seine große, teils selbstkonstruierte Goldwaschanlage steht, die er unentwegt mit Leidenschaft verbessert. Wir sind sprachlos. Das Riesending schleppt er auf dem Pick-up in die Berge?!!!

Die beiden haben viele interessante Geschichten zu erzählen, es wird viel gelacht und gegessen, und der Tag ist im Nu verplaudert. Wie schon so oft auf der Reise denken wir: Ein schöner Platz zum Bleiben, schade, daß wir weiter müssen…

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Hangar 3

In La Cumbre hat der Schweizer Andy Hediger vor Jahren ein Aeroatelier mit eigenen Flugplatz eingerichtet, welches von Red Bull finanziell unterstützt wird. Wir statten dem ehemaligen Worldcupsieger im Gleitschirmfliegen einen Besuch ab und dürfen mit unserem Moppel auf dem schönen Gelände des Air Sports Center über Nacht bleiben.

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Im Hangar 3 steht alles, was ein Fliegerherz höher schlagen lässt: Von UL-Flugzeugen über Drachen, Trikes und Swifts bis hin zu den an der Wand hängenden Windsuits für Basejumper ist alles vorhanden. Nicht nur das: Alles ist topgepflegt und auch der Hallenboden ist blitzblank.

Auf den ersten Eindruck ein perfektes Fliegerparadies, denken wir. Bis uns Andy sein Herz ausschüttet und uns aller Illusionen beraubt, indem er unwissentlich in der Praxis bestätigt, was wir von dem Arztehepaar in La Cumbre zuvor erfahren haben: Investitionen in Argentinien werden so unattraktiv wie möglich gemacht. Möchte man 100.000 EUR in ein Unternehmen investieren, kassiert der Staat vorab ganz offiziell erst einmal 30% als Investitionssteuer. Vermutlich fließen diese ohne Umweg auf das Kirchner-Konto. Dazu kommen die Schmiergelder für die lokalen Politiker, wenn man eine Baugenehmigung oder ähnliches benötigt. So macht Unternehmertum nicht wirklich Spaß. Andy ist jedenfalls bis auf den Grund seiner Seele gewaltig vergrätzt und macht daraus auch keinen Hehl.