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Energiegeladen

Unser nächstes Ziel ist Bonito im südlichen Pantanal, rund 800 km weiter nördlich. Auf dem Weg dorthin nehmen wir noch das gewaltige Wasserkraftwerk Itaipu (= Klingender Fels) mit, welches kurz außerhalb von Foz de Iguacu an der Grenze von Paraguay und Brasilien liegt und den Rio Paraná staut. Ich erinnere mich noch daran, als ich im Geographieunterricht das erste Mal von dem Megaprojekt hörte. Die ganze Welte staunte damals nicht schlecht über dieses – auch in finanzieller Hinsicht – gewagte Vorhaben zweier „Dritte-Welt-Länder“.

Itaipu

Itaipu

Das Wasserkraftwerk ist ein Gemeinschaftsprojekt von Brasilien und Paraguay. Der Vertrag beinhaltet eine Klausel, die den Verkauf von in Itaipu erzeugter Enegie an Drittstaaten untersagt. Argentinien hat also keine Chance zu partizipieren und schaut neidisch zu den Nachbarn . 1974 wurde mit dem Bau begonnen, 1991 die vorläufig letzte Turbine in Betrieb genommen, bis der brasilianische Präsident Lula Da Silva das Bauwerk in 2007 um zwei weitere Turbinen (aus dem deutschen Heidenheim) ergänzte und das Projekt als beendet erklärte. An der Großbaustelle arbeiteten über 34.000 Mitarbeiter, während der Bauphase gab es 145 Todesfälle, über 40.000 Ureinwohner vom Stamm der Guarani – die indianischen Namensgeber des Kraftwerkes – mußten ihren angestammten Lebensraum aufgeben und wurden zwangsumgesiedelt und große Flächen subtropischen Regenwaldes, Heimat vieler seltener Tiere und Pflanzen, wurden abgeholzt. Positive Bilanz? Negative Bilanz? Kommt auf die Brille an, durch die man schaut. Im stylischen Besucherzentrum jedenfalls wird das gesamte Thema in schönen Bildern und Worten auf amerikanische Art und Weise emotional aufgeladen und gekonnt weichgespült.

Auf das nicht nachlassende Bestreben zahlreicher nationaler und internationaler Naturschützer hat man heute das Wasserkraftwerk um ein geschütztes Naturreservat erweitert, für die heimischen Fische eine 10 km lange Fischtreppe gebaut, um die Höhendifferenz von oberem zu unterem Rio Paraná bewältigen zu können und die Ufer des Flusses auf einer Breite von je 200 Metern unter Naturschutz gestellt. Daß die einzigartige Natur dieser Region geschützt werden muß scheint inzwischen im Bewußtsein angekommen zu sein und Naturschutz und technischer Fortschritt müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen, sondern ergänzen sich im Idealfall und bei sorgfältiger Planung sogar perfekt.

Noch einige interessante Zahlen im Vergleich: Bei normaler Stauhöhe wird der Rio Paraná im Itaipu-Stausee auf einer Fläche von 1.350 km² und auf etwa 170 km Länge aufgestaut. Bei maximalen Stauvolumen ist die Wasseroberfläche des Stausees zweieinhalb mal so groß wie der Bodensee. Die dazugehörige Itaipu-Staumauer inklusive Damm ist 7.760 m lang und 196 m hoch. Insgesamt wurden 13 Mio Kubikmeter Beton verbaut.

Paraguay generiert heute 100% seines Stromverbrauches aus Wasserkraft; das große Land Brasilien immerhin 75%. Jetzt wundern wir uns auch nicht mehr, warum wir bisher auf unsere Frage, warum Solarenenergie in diesen sonnenverwöhnten Ländern energietechnisch so gar kein Thema ist, nur Achselzucken erhielten. Allein aus der Leistung von Itaipu wird der Energiebedarf Paraguays zu 75% gedeckt und der Brasiliens zu 17%! Der in Itaipu erzeugte Strom wird bis ins 800 km entfernte Sao Paulo transportiert und versorgt den gesamten Süden Brasiliens. Bei einem Black Out heißt es: Gute Nacht!