Blick zurück

Unser Luxusjahr ist um – schon – und wir werfen einen Blick zurück. Auf Altweiberdonnerstag starten wir in Düsseldorf mit dem Hamburger Hafen als Tagesziel. Auf dem letzten Foto sind wir als Teufelchen und Biene Maja zu sehen. Dann der Abschied von der Familie, der Schmerz ist groß, sitzt wie ein Widerhaken in der Seele, läßt Tränen hemmungslos fließen. Für einen Moment sind selbst Hugo und ich fassungslos, daß unser Abenteuer jetzt wirklich losgehen soll. So viele Monate haben wir darauf hingearbeitet, jetzt ist der Augenblick plötzlich gekommen.

Ist die Entscheidung, unsere Jobs aufzugeben und unsere Familien vorübergehend zu verlassen, um unseren Lebenstraum zu verwirklichen, die richtige? Mut und Dummheit sind bekanntlich Geschwister. Sind wir mutig? Oder doch nur dumm? Wird sich das Abenteuer als zu groß für uns erweisen? Wir brechen auf mit einem großen Koffer voller Fragen an Bord. In Hamburg gehen wir am nächsten Tag an Bord der Grande San Paolo. Das Abenteuer kann beginnen.
Vor uns liegen 3 ½ Wochen Überfahrt bis Montevideo. Glauben wir – noch. In der Einfahrt zur Biscaya ist bereits kurze Zeit später vorläufig Schluß. Ein starker Sturm hindert uns an der Weiterfahrt und wir müssen ihn zwei Tage auf Reede abwettern, bis sich die aufgewühlte See halbwegs beruhigt und die Wellenberge gelegt haben.

Über Leixoes und Casablanca geht es weiter nach Dakar. Wir erfahren, daß sich das Routing geändert hat und die Grande San Paolo einen Umweg über Luanda/Angola fahren wird. Die Reise wird also deutlich länger dauern. Vor uns liegen sieben Seetage bis Luanda, von dort aus weitere neun nonstop bis Paranagua. Die Atlantiküberfahrt ist ruhig und ereignislos, die Wolken hängen tief über der See, ab und an bekommen wir Besuch von Delfinen und Walen. Kaffee, Obst und Gemüse werden an Bord knapp und rationiert. Entbunden von allen Rechten und Pflichten fügen wir uns ins Nichtstun und lassen uns treiben. Wir sind losgelöst von Raum und Zeit.

Von Paranagua geht es zunächst an Montevideo zur Rechten und Buenos Aires zur Linken vorbei durch das große Flußdelta nach Zarate, anschließend erst nach Montevideo. Dann morgens beim Aufwachen eine „böse“ Überraschung: Wir fahren wieder mit Kurs auf Afrika. Nein, man hat nicht vergessen, uns abzusetzen, wie wir zunächst befürchten, sondern der Sturm ist so schlimm geworden, daß kein Schiff den Hafen von Montevideo anlaufen kann. Wir kreisen mit rund siebzig anderen Schiffen die Küste 200 Kilometer rauf und runter, Tag und Nacht, Tag und Nacht. Dann, nach insgesamt 6 ½ Wochen, dürfen wir endlich von Bord der Grande San Paolo rollen.

Wir sammeln erste schöne Erfahrungen mit Land und Leuten in Uruguay und ändern spontan unseren Plan. Wir fahren nach Brasilien, erst ein Stück die Küste mit ihren schönen einsamen Stränden hinauf, dann nach Florianopolis, von dort aus quer durch das Land nach Iguacu zu den Wasserfällen, später durch die reiche Tierwelt des noch unter Wasser stehenden Pantanals mit seinen Ameisenbären, Tapiren und Caymanen.

Bolivien beeindruckt uns mit seinen gigantischen Andengipfeln, der klaren Luft, dem leuchtend türkisfarbenen Titicacasee und der fast beängstigenden Leere und Einsamkeit der Salzseen und Hochebenen über 4.000 Metern. Bolivien fordert uns zugleich stark: Die Pisten sind schlecht bis nicht vorhanden, die Einheimischen auf dem Altiplano im Umgang schwierig und die Höhenanpassung ist anstrengend. Wir trinken und essen wie körperliche Schwerstarbeiter, aber als wir Bolivien Richtung Peru verlassen sind wir fünf Kilo leichter.

Dann ist es schon August und der Besuch unserer Kinder, Florian und Dina, steht an. So wird die Zeit bis zum Wiedersehen nicht ganz so lang und wir freuen uns sehr auf die gemeinsamen Wochen.

Cusco und Machu Picchu in Peru zeigen sich von ihrer schönsten Seite und halten, was ihr Mythos verspricht. In Tacna wird unser Wagen aufgebrochen und für ein paar Tage sind wir Gäste nicht nur bei der Polizei, sondern auch die Breaking News in den lokalen Medien. Von der hier in Europa fast unbekannten wüstenhaften Paracas-Halbsinsel möchten wir kaum noch weg.

Chile fahren wir vom ersten Meter im Norden der eintönig rotbraunen Atacama-Wüste bis zum letzten Meter der schlaglochübersäten Carretera Austral durch den immergrünen valdivianischen Regenwald hinunter bis zum patagonischen Eisfeld, dann geht es noch weiter durch die windige Einöde Feuerlands. Das Land der schneebedeckten Vulkane zeigt sich in jeder Hinsicht von seiner besten Seite: Spektakuläre Landschaften wechseln sich in kurzer Folge ab und die Menschen sind absolut liebenswert.

Die Weite und Leere der argentinischen Pampa dagegen läßt uns schrumpfen. In dem ewigen Wind und nur von Büschelgras umgeben haben wir das Gefühl, weggeblasen und wie ein Staubkorn zerrieben zu werden. In Ushuaia, am südlichsten Punkt des Kontinentes, sind wir gefühlt am Ende der Welt und erleben den Beagle-Kanal bei allerschönstem Wetter – wir haben unverschämtes Glück.

Entlang der Ostflanke der Anden besuchen wir den Nationalpark Los Glaciares, die alten Wälder bei Bariloche, die großen Weinanbaugebiete rund um das heiße Mendoza, den staubigen Saurierspielplatz von Ischigualasto und die verschwiegenen wunderschönen Hochtäler westlich von Salta.

Gibt es einen Ort, der besonders schön ist? Der alles andere toppt? Diese Frage wird uns oft gestellt und die wir ehrlich nur mit“ nein“ beanworten können. Wir haben viele schöne Plätze, Orte und Landschaften erlebt, aber einen Favoriten gibt es nicht. Würden wir einen Ort zum Favoriten erklären, würden wir Tausend anderen damit Unrecht tun.

Für Hugo waren seine Flüge mit dem Drachen und Gleitschirm die Highlights der Reise, ganz besonders in La Paz vor den schneebedeckten Andengipfeln auf 5.300 Metern, im goldenen Licht des Sonnenuntergangs bei El Bolsón, über der großen Sanddüne von Iquique an der chilenischen Küste und in Ushuaia oberhalb des Beagle-Kanals, im Blick die zerklüfteten Gipfel der Kordilleren.

Mich haben die spektakulären Wasserfälle von Iguacu tief beeindruckt. Daß sie schön sind, wußte ich von vielen Dokumentationen, aber gleich soooo schön… Ein „Muß“ für jeden Brasilienurlaub! Gleiches gilt für Machu Picchu: Meine Erwartungshaltung war groß und ich hatte Angst, enttäuscht zu werden, aber der Magie dieses Ortes kann man sich wirklich nicht entziehen.

Mein Herz … mein Herz habe ich aber an die unberührte Schönheit Patagoniens verloren, an die blau-leuchtenden Gletscher und Eisfelder, die einsamen Strände, die Stille des immergrünen kalten Regenwaldes, das sich ständig wandelnde Gesicht des Himmels, an das einfache Leben in der Natur, an das Licht. Hier hätte ich bleiben können. Hierher werden wir zurückkehren. Irgendwann.

Wir haben auf unserer Reise viel erlebt und ja, es war ein Abenteuer in mancher Hinsicht. Unbekannte Länder und Kulturen, jeden Tag neue fremde Menschen, fremde Sprachen, Leben auf engstem Raum, oft bei widrigen Wetterverhältnissen. Immer wieder Unvorhergesehens, immer wieder neue Herausforderungen. Dabei begegnet man unweigerlich auch sich selbst. Das muß man aushalten.

Wir haben viel gesehen, und doch so wenig. Der Kontinent ist riesig und die Distanzen sind nicht mit denen in unserem kleinen Europa zu vergleichen. Südbrasilien, Bolivien, Peru, Chile, Uruguay, Argentinien haben wir auf dieser Tour bereist; gerne möchten wir noch die Länder im Norden des Kontinents kennen lernen. Sie warten schon auf uns und Unimoppel.

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