Countdown

Irgendwann kommt das Unvermeidliche: Bis zuletzt haben wir diesen Zeitpunkt hinausgezögert, aber jetzt müssen wir zusammenpacken und nach Colonia del Sacramento, 180 Kilometer westlich von Montevideo, aufbrechen. Dort werden wir Unimoppel auf der Farm von Sandra – einer Deutschen – und ihrem urugayischen Mann Enrique bis zum nächsten Einsatz stehen lassen, gut betreut und im Kreis von rund fünfzehn anderen, ebenfalls temporär geparkten Overlandern aus aller Herren Ländern.

In Montevideo gibt es bei einem Zwischenstopp noch ein feines Babybeef in einer Parrilla in den Markthallen am Hafen. Genau dort haben wir mit Celi, Brigitte und einer Freundin der beiden zu Beginn unserer Reise gegessen. Für Menschen, die auf Paläodiät schwören, ein Paradies, für Vegetarier schlichtweg die Hölle. Bei einem kurzen Stadtbummel durch das historische Zentrum zeigt sich, daß Montevideo einst eine sehr wohlhabende Stadt gewesen sein muß. Heute sind einige Viertel schon arg mitgenommen und verfallen, aber die alte Pracht in der ciudad vieja, der Altstadt, läßt sich noch erahnen.

Colonia del Sacramento ist die älteste europäische Siedlung in Uruguay und wurde einst von den Portugiesen als Gegenpol zu Buenos Aires auf dem östlichen Ufer des Rio de la Plata gegründet. Das historische Zentrum mit seinen geduckten Kolonialbauten, dem holprigen Kopfsteinpflaster, den schmiedeeisernen Gittern und den verschwiegenen Plätzen mit viel Grün zählt heute zum UNESCO Weltkulturerbe. Die schlamm-braunen Fluten des Rio de la Plata, nicht der längste, aber der breiteste Fluß der Welt, münden hier in den blauen Atlantik. Der Fluß ist so breit, daß man die gegenüberliegende Seite und Buenos Aires nicht sehen kann. Man hat den Eindruck, an einem braunen Meer zu stehen.

Auf der Farm von Sandra und Enrique klären wir die Formalitäten und offenen Fragen, bevor wir an einen kleinen Strand zum Übernachten fahren. Außer vielen Vögeln und ein paar Fischern sind wir hier völlig allein.

Am nächsten Tag fahren wir zum Fähranleger in Colonia und kaufen zwei Tickets für die Schnellfähre nach Buenos Aires drei Tage später. Wenige Kilometer von der Farm entfernt können wir uns auf einem außerhalb der Saison fast völlig verwaisten Campingplatz mit hohen Bäumen und unzähligen Vögeln einrichten, um den Wagen zu überholen. Der Campingplatzbetreiber ist überaus zuvorkommend und stellt uns sogar seinen Hochdruckerreiniger zur Verfügung.

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Bevor wir den Wagen bei Sandra und Enrique abstellen ist eine Grundüberholung erforderlich: Der Sand und Schlamm muß abgespült, die Trinkwassertanks entleert und desinfiziert, Roststellen entfernt und überstrichen, etliche Dinge im Wagen umgeräumt und gesichert werden. Wir bauen immer mehr um den Wagen herum auf – Matratzen, Schlafsäcke, Werkzeugkisten, Ersatzteile, Schläuche, Kanister, Gummistiefel –, in kürzester Zeit ist unser gesamtes Hab und Gut verteilt und es sieht ziemlich chaotisch aus. Gut, daß niemand anderers da ist und wir viel Platz haben. Ich frage mich, ob wir bis zur Abreise alles wieder an den richtigen Platz schaffen.

Bei all dem wüsten Treiben haben wir zwei neugierige Besucher: Unter einer Holzpalette kommen um die Mittagszeit, wenn sie offensichtlich ausgeschlafen haben, zwei große Geckos von ungefähr 1,50 Metern Länge hervor und beäugen uns neugierig. Wir können uns ihnen bis auf ungefähr einen Meter nähern, bevor sie davon flitzen. Kekse mögen sie nicht, aber rohe Eier…

Dann ist es geschafft: Unimoppel ist blitzsauber und glänzt wie neu, na ja, fast jedenfalls. Wir fahren ein letztes Mal durch die Felder zu Sandra und Enrique.

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