Im kleinen Markt Puma Verde, der zum Parque Pumalin gehört, machen wir noch einige Einkäufe und staunen nicht schlecht, als wir in den vergleichsweise gut sortierten Holzregalen neben frischem Gemüse abgepacktes deutsches Pumpernickel und Brot mit Sonnenblumenkernen entdecken! Der halbe Bestand wandert gleich in den Einkaufskorb, denn mit dem Brot ist das hier in Südamerika so eine Sache. Man kennt kein Vollkornmehl und dementsprechend schmeckt alles Brot schlicht nach nichts. Ein Brötchen von der Größe einer Grapefruit kann man in der Faust widerstandslos auf die eines Zwei-Euro-Stücks zusammendrücken und für den Rest seines Brötchenlebens bleibt es dann auch so. Ein Regencape im Format eines Zirkuszeltes wird im mercado ebenfalls eingepackt und dann geht es weiter in südlicher Richtung.
Unsere Ziele sind Futaleufú und Palena, die östlich der Carretera in Richtung der argentinischen Grenze liegen. Wer nur die Carretera im Eiltempo hinunter- oder hinaufhuscht sieht zwar auch schon eine Menge, aber die wirklichen Naturschönheiten in den verschwiegenen Tälern bleiben ihm verborgen. Wir haben Zeit und lassen sie uns, denn unsere Ersatzteile für die Heizung sind noch unterwegs nach Coyhaique.
Die rund achtzig Kilometer lange Strecke windet sich als Piste durch ein langes Tal und führt uns am stillen Gletschersee Lago Yelcho vorbei, der sich zu Füßen einer dicht bewaldeten Bergkette über 35 km erstreckt, und dann entlang des malerischen, blau-grün schimmernden Rio Futaleufú, der mit seiner Vielzahl an wild schäumenden Stromschnellen ein Rafting-Paradies ist.
Einige Klein- und Kleinstfarmen mit Gebäuden aus Holz, die seit vielen Generationen nicht verändert wurden bewirtschaften das vor langer Zeit gerodete Land. Verkohlte Reste großer Baumstümpfe liegen verstreut auf den mit gelben Butterblumen übersäten Wiesen. Vor den kleinen Fenstern hängen Spitzengardinen.
Die Zäune dienen hier lediglich der Dokumentation von Eigentum, nicht dem Schutz der Nutztiere. Rinder mit ihren Kälbern, Ziegenherden, Hühner, Pferde und jede Menge Schafe halten sich genauso oft vor dem Zaun wie dahinter auf und liegen auch gerne mal quer auf der Piste. Wenn wir mit dem Unimog ganz vorsichtig im Schneckentempo angebrummt kommen sind die Reaktionen unterschiedlich:
– Schafe, eben noch die schwarzen Köpfe schafsnasig und mit höchster Konzentration fressend im hohen Gras versenkt, galoppieren beim allerersten Geräusch des Mogs mit wippenden Lämmerschwänzen wie angestochen los, soweit weg von uns wie möglich, und bleiben erst stehen, wenn die Zunge aus dem Hals hängt. Eine erfolgreiche Fluchtstrategie, denn beim Fotografieren erwische ich von Weitem meist nur noch den wollenen Hintern.
– Pferde, besonders die jüngeren Tiere, werden nervös bis hysterisch, zappeln rum, steigen mit den Vorderbeinen, rollen wild mit den Augen, legen die Ohren an, wissen nicht, ob sie besser vorwärts oder rückwärts ausbrechen. Bis sie sich entschieden haben sind wir vorbei und alles ist gut. Keine gute Strategie, finden wir, denn wenn wir vorbei sind, sind meist nicht nur die Pferde fix und foxi, sondern ich auch. Ein PS mehr würde dem Mog zwar nicht schaden, aber bitte unter der Motorhaube und nicht darauf.
– Rinder, egal ob Bulle oder Kuh, nehmen uns nicht wirklich ernst, was dem Selbstbewusstsein des Moppels sehr zusetzt. Ausgewachsene Tiere sind von Natur aus phlegmatisch, aber hier scheinen sie zusätzlich Tranquilizer im Gras zu haben. Sie schauen uns entsetzlich gelangweilt und gleichzeitig beleidigt an und bequemen sich erst dann schwerfällig im Zeitlupentempo aus ihrer Liegendposition, wenn wir bereits vorbei oder um sie herum gefahren sind. Fliegende Kühe, wie wir sie auf Indiens Autobahnen erlebt haben, die sogar Leitplanken aus dem Stand überspringen können. gibt es hier nicht. Kleine Kälber verhalten sich allerdings ganz anders; sie rennen völlig kopflos in ihrer Panik schlichtweg alles über den Haufen, vorzugsweise andere Kälber oder ihre am Boden und im Weg liegenden Mütter.
Neben dem enormen Dieselverbrauch ist die Dezibelzahl des Unimogs der einzige weitere Kritikpunkt, den man eventuell haben könnte. Hier im einsamen stillen Patagonien rechnen wir fest damit, irgendwann von Mutter Natur wegen Ruhestörung eine Strafanzeige zu erhalten. Dann kommt noch das mysteriöse Sirenenphänomen dazu: In Städten und auf Straßen mit vielen parkenden Autos auf den Seitenstreifen löst das Brummen des Mogs leider sehr häufig die Alarmanlagen aus, die der Reihe nach losgehen, wenn wir vorbei fahren. Sehr seltsam…Wie dem auch sein, wir können es nicht ändern und irgendwie ist es ja auch lustig.
Unseren Stellplatz für die Nacht finden wir im Kiesbett am Rio Futaleufú, umgeben von Lupinen.
An der Strecke liegt kurz vor Futaleufú der der Lago Lonconao, wo dann durchaus auch mal eine solche Villa im Blockhausstil zu sehen ist, Llamas als Haustiere im Garten inklusive.
Viele der Flüsse werden von Gletschern gespeist und ihr Wasser schimmert in einem milchig-grünen Weiß. Wir drehen eine kleine Runde in dem idyllischen 2000-Seelen-Dorf Futaleufú und fahren dann in eine weiteres Tal, das Valle California ein gutes Stück hinter Palena. Hier erinnert die Landschaft mit etwas Phantasie an Südtirol und durch ein besonders mildes Mikroklima gedeihen hier sogar Zitrusfrüchte.
Wir finden einen abgeschiedenen Nachtplatz ein einem kleinen See mitten im Wald und genießen die wunderbare Abendstimmung und das Spiegelbild der Berge auf dem Wasser, als die Sonne untergeht.
Wege oder Pisten zurück zur Carretera gibt es nur einen, und den sind wir schon gekommen. Wir haben wenig Lust, die Strecke zweifach zufahren, könnten alternativ eine schlechte Piste über Argentinien nehmen, aber die zweifachen Grenzformalitäten haben wir noch weniger Lust. Vielleicht gibt es ja doch irgendeinen Weg, eine Abkürzung. Selbst wenn die Piste schlecht ist, mit Unimoppel sollte es kein Problem sein. Wir entdecken tatsächlich eine kleine Piste, die Richtung Süden führt, aber dann kommt ein locker verschlossenes Tor mit einem Schild „Recinto Privado“ undsoweiterundsofort. Also war´s das, umdrehen. Dann lese ich das Schild mal richtig und ja, handelt sich um Privatbesitz, aber „Betreten erlaubt!“ Wir brechen weiter durchs Gebüsch, bis wir plötzlich feststellen, daß uns ein Pick-up folgt. Also doch falsch verstanden? Nein, alles ist okay. Ein junger Chilene stellt sich als Verwalter des Parks vor und klärt uns auf: Es handelt sich um ein privates Naturreservat, welches von Chilenen und Ausländern vor nicht allzu langer Zeit gegründet wurde. Während der Sommermonate Dezember bis März soll das Reservat für Besucher offen stehen und eine kleine touristische Infrastruktur wie im Parque Pumalin ist im Entstehen. Wir schwatzen noch ein bisschen über Dies und Das und was prompt folgt ist eine Einladung zum Lunch.




















