Archiv für den Tag: 20. Dezember 2014

Weihnachtsgrüße

Wir sind inzwischen in Cochrane angekommen und einige Reiseberichte der letzten Tage fehlen noch, aber wir schieben unsere Weihnachtsgrüße an Euch und zuhause an dieser Stelle ein, da dieser Ort vermutlich der letzte „Posten“ in der Wildnis ist, der zumindest notdürftig über Wi-Fi verfügt. Je weiter südlich wir reisen desto anorexischer werden Internet- und Handyverbindungen. Oft sind wir tagelang von allem vollständig abgeschnitten und vermutlich werden wir erst nach den Festtagen wieder ein Netz haben.

In den vergangenen Wochen wurden wir öfters von Freunden und Familie gefragt, wo wir denn eigentlich die Weihnachtstage verbringen. Gute Frage. Unsere Antwort lautete bisher immer: „Das wüssten wir auch gerne!“ Langsam zeichnet sich ab, daß wir Heiligabend voraussichtlich am Ende der Carretera Austral in Villa O´Higgins verbringen werden, dort, wo sich die Straße in der patagonischen Pampa verliert, wo es selbst mit dem Unimog nicht mehr weiter geht. Bis dorthin sind es noch rund 200 Kilometer. Von dort kehren wir dann um, um in Coyhaique unsere Ersatzteile für die Heizung abzuholen und dann geht es quer durch die Anden über die Grenze nach Argentinien mit dem Ziel Ushuaia.

So schön unsere Reise auch ist, für uns ist es nicht ganz leicht, die Weihnachtsfeiertage nicht zuhause sondern weit entfernt zu verbringen. Wir vermissen unsere Familien, insbesondere unsere Kinder, sehr. Nach einem Erlebnis vor vielen Jahren hatte ich mir vorgenommen, nie wieder Weihnachten im Ausland zu verbringen. In 1990 reiste ich im Dezember mehrere Wochen durch Kalifornien und verbrachte die Weihnachtszeit in San Diego, eigentlich einer wunderschönen Stadt ganz im Süden, mit einem herrlich sonnigen Klima. Von weihnachtlicher Stimmung war jedoch nichts zu spüren, im Gegenteil, die gesamte Stadt wirkte bedrückt und bedrückend. Nicht ohne Grund, denn die USA rüsteten zu diesem Zeitpunkt massiv für die Operation „Desert Storm“. Im Hafen von San Diego lagen viele Fregatten und andere große, graue Kriegsschiffe und warteten auf den Befehl zum Auslaufen. Die Szenen waren herzzerreißend. Mütter und Väter verabschiedeten sich von ihren Söhnen und Töchtern, junge Frauen mit Kleinkindern an der Hand oder Babies auf dem Arm von ihren Männern und es gab auch zahlreiche Männer mit kleinen Kindern, die ihre Frauen verabschieden mußten. Ich war umgeben von einem Meer aus Tränen, Hilflosigkeit und Verzweiflung. Für viele Amerikaner wurde hier aus einem „Job“ plötzlich ein lebensbedrohlicher Einsatz. Von weitem war zu beobachten, wie Panzer und militärische Fahrzeuge durch das hochgeklappte Heck in die bereit stehenden riesigen Super Guppies fuhren, die dann kurze Zeit später zur Offensive gegen den Irak starteten, um das von Hussein annektierte Kuweit zu befreien. Die bedrückende Atmosphäre ließ niemanden vor Ort unberührt.

Ich war in einem dieser typischen amerikanischen Hotels untergebracht, die noch nicht einmal über ein Restaurant verfügen. Da über Weihnachten in San Diego alles, aber auch wirklich alles geschlossen hatte und ich nicht ein einziges geöffnetes Restaurant finden konnte, bestand mein Weihnachtsessen aus einer Tüte Chips und einer Cola von der Tanke. Irgendwann war dann alles zu viel. Ich kann mich gut daran erinnern, daß ich den Weihnachtsabend im Hotelzimmer auf der Bettkante verbracht und wie ein Schloßhund nonstop geheult habe. Seitdem verbringe ich jedes Weihnachtsfest im Kreis der Familie und mit dem schon legendären Riesentruthahn aus dem Ofen. Und das ist gut und richtig so.

Nicht so in diesem Jahr, und es fällt uns beiden schwer, Hugo genauso wie mir. Wie werden wir Heiligabend verbringen? Vielleicht zünden wir ein Lagerfeuer an, vorausgesetzt, der ewige eiskalte patagonische Wind zeigt sich gnädig und lässt für eine Weile etwas nach. Vielleicht machen wir uns aus einem chilenischen Malbec einen Glühwein? Wer weiß … wir werden es Euch wissen lassen. Sicher ist, wir werden in Gedanken bei Euch sein. In diesem Sinne

Weihnachtsgrüße