Vom Fleece-Pulli zum eigenen Nationalpark

Chile hat eine große Zahl an Naturschutzzonen zu bieten: Insgesamt 36 Nationalparks, 49 Reservate und 15 Naturmonumente stehen unter dem Schutz der Forstbehörde Conaf. In Summe ergibt dies eine Fläche von 15 Millionen Hektar, was ungefähr 20% der gesamten Staatsfläche ausmacht. Bis Ende des zwanzigsten Jahrhunderts spielte Umweltschutz im Denken und Handeln der Chilenen keine nennenswerte Rolle. Im Gegenteil, der hemmungslose Raubbau fand völlig ohne Kontrolle oder Regulierung im gesamten Land statt. Die Fischbestände im Pazifik wurden mit industriellen Methoden abgefischt und nach Asien exportiert, Erze und Metalle aus den Minen der Atacama gegraben, die Rückstände des Bergbaus unkontrolliert in Flüsse, Seen und Böden geleitet. Ganze Wälder mit uralten Baumbeständen wurden niedergebrannt oder zu Holzchips verarbeitet und durch schnellwachsende Kiefern- und Eukalyptusplantagen ersetzt. Dem Profitdenken fielen leider auch viele prächtige, nur langsam wachsende Baumriesen zum Opfer, wie zum Beispiel die Alercen, die bis zu 3.000 Jahre alt und deren Stämme vier Meter dick wurden, oder die Araukarien, die ebenfalls ein biblisches Alter von 1.000 Jahren überschreiten konnten. Inzwischen ist der „grüne Gedanke“ auch in weiten Kreisen von Chile zunehmend populär geworden und bewegt Wirtschaft, Politik und die Breite der Bevölkerung zum Umdenken.

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Aber es gibt auch Institutionen und Privatpersonen im In- und Ausland, die sich für den Naturschutz nicht nur mit salbungsvollen Worten vor der Kamera in Pose bringen, um für positive Schlagzeilen zu sorgen, sondern die sich aktiv stark machen und auch finanziell engagieren, allen voran Douglas Tompkins und seine Frau. Mit Fleece-Pullovern legte der 1947 in New York geborene Unternehmer den Grundstein für sein Outdoor-Imperium „The North Face“, später war er Anteilseigner der Modefirma Esprit.

Einen Teil seiner Anteile verkaufte er 1990, gründete die Stiftung Deep Ecology mit Sitz in San Francisco und widmet sich seitdem ökologischen Initiativen. Nach und nach kaufte er in Chile – und später auch in Argentinien – große zusammenhängende Urwaldgebiete auf, was problemlos möglich ist, da die chilenischen Gesetze den Landerwerb durch Ausländer erlauben. Heute ist sein Landbesitz in Nordpatagonien 550.000 Hektar groß.

Kritiker und Widersacher fanden sich schnell und in Windeseile verbreiteten sich böse Gerüchte, daß er Festlandchile spalten und eine Art Enklave innerhalb des Landes schaffen wolle. Tompkins ließ sich nicht beirren, verfolgte konsequent sein Naturschutzprojekt und schuf den Parque Pumalin mit Modellcharakter für nachhaltigen Umweltschutz in Patagonien. Um weiteren Gerüchten und scharfen Attacken seiner Gegner für alle Zeit einen Riegel vorzuschieben gründete er eine Stiftung, die den Park heute schon verwaltet und später als Eigentümerin zu 100% übernehmen soll. Territoriale Ansprüche der wenigen Siedlerfamilien, die seit langer Zeit im Park lebten, hat Tompkins vollständig anerkannt, auch wenn keine Rechtstitel vorlagen. Heute zählt der Parque Pumalin zu den schönsten Naturparks Chile und hat Vorbildcharakter in puncto Infrastruktur und sozial-verträglichem Umweltschutz.

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Ganz klar, Tompkins als erfahrener Geschäftsmann hat sicherlich nicht nur aus altruistischen Beweggründen gehandelt. In den Shopping Malls der großen chilenischen Städte war uns aufgefallen, daß neben den eigenen chilenischen Modemarken auch – als eine von höchstens einer Handvoll ausländischer Marken – das vergleichsweise hochpreisige Sortiment von Esprit geführt wurde. Dito gilt für The North Face in den Outdoor-Geschäften. Mit seinem Invest hat er für seine Marken den Marktzugang gekauft. Na und? Wir finden, das ist nicht nur legitim, sondern ganz einfach clever.

Wir fahren auf der Carretera Austral, die den Park durchschneidet. Kaum ein Fahrzeug begegnet uns. Die einsame Schotterpiste ist von dichtem Regenwald umgeben und Riesefarne sowie die großblättrigen Nalca-Pflanzen, eine Rhabarberart, säumen den Weg und reichen vielerorts bis weit in die Piste hinein. Ab und an fällt etwas Regen und die Wolkenfetzen hängen tief in den grünen Bergen; wenn dann die Sonne wieder durchkommt dampft der Urwald und man kann schöne Regenbogen entdecken.

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