Schwein gehabt

Am Portico in Buraco das Piranhas verlassen wir die asphaltierte BR 262 und die Rote-Erde-Piste der Estrada Parque do Pantanal, die uns tiefer in das seit 2001 von der UNESCO geschützte Biosphärenreservat bringen soll, beginnt. In Urzeiten war das Pantanal eine große pazifische Meeresbucht, heute ist es das größte zusammenhängende Feuchtgebiet der Welt. Zum Vergleich: Die Everglades in Florida betragen gerade einmal 4% der Fläche des Pantanal. Die zweitweilig überschwemmte Landfläche ist oftmals so groß wie Dänemark, Niederlande, Belgien und Portugal zusammen. Wissenschaftler sprechen vom größten Schwamm der Erde: Ein halbes Jahr lang saugt der Pantanal die Wassermassen aus den Anden und dem Herzen Südamerikas auf, pro Stunde 178 Millionen Liter. Fein dosiert mit einer Geschwindigkeit von 1200 Kilometern in 180 Tagen gibt er das Wasser dann ganz langsam wieder ab. Alles hier ist vom diesem Wasserkreislauf abhängig und folgt den jahreszeitlichen Schwankungen, insbesondere die Tiere, die in diesem Labyrinth aus Flüssen, Seen, Sumpf, Savanne, Kanälen und Inseln ihren Lebensraum haben.

Land unter

Land unter

Die Dammpiste der Estrada Parque do Pantanal ist 117 km lang und überquert auf 87 Holzbrücken Wasserläufe und sumpfigen Grund. Wir sind überrascht: Die Brücken sind in tadellosem Zustand und offensichtlich nach Ende der regulären Regenzeit im April/Mai in Stand gesetzt worden. Unsere Chancen, die gesamte Strecke bis Corumba durchfahren zu können, steigen.

Estrada do Parque do Pantanal

Estrada do Parque do Pantanal

Übernachtungsziel ist die Fazenda Sao Joao zwischen Brücke 28 und 29. Es ist später Nachmittag, als wir ankommen, und wir sind sofort begeistert von der Atmosphäre dieses Ortes. Wir werden vom Verwalter sehr freundlich begrüßt, stellen Unimoppel drei Meter vom See auf einer Wiese ab, um uns herum grasen Pferde oder stehen im Wasser, in den Bäumen sehen und hören wir viele Vögel. Die Sonne sinkt bereits ab 17.00 Uhr und taucht die Landschaft in ein zart-rosa Licht, um 18.00 Uhr umgibt uns rabenschwarze Finsternis und Stille, bis das abendliche Konzert der Frösche und Zikaden einsetzt.

Stellplatz auf der Fazenda Sao Joao

Stellplatz auf der Fazenda Sao Joao

Vor dem Zubettgehen wollen wir noch die Sonnencreme und das Moskitospray von der Haut spülen. Es gibt zwanzig, dreißig Meter von Unimoppel entfernt eine Freiluftdusche ohne alles; heißt: kein warmes Wasser, keine Tür, kein Licht. Hugo marschiert als Erster los, die Stirnlampe leuchtet in der Finsternis wie ein umherirrendes Glühwürmchen. Ich räume inzwischen im Unimoppel ein bisschen herum. Dann plötzlich ohrenbetäubendes Wasserplatschen!!! Alarm!!! Adrenalin in einer Überdosis schießt im Bruchteil einer Sekunde durch meinen Körper, nur ein Gedanke rast durch meinen Kopf: Die Dusche ist nur zwei oder drei Meter vom See entfernt. Hat sich einer der bis zu drei Meter großen Kaimane, die den ganzen Abend vor unseren Augen im See geräuschlos das Ufer entlang patrouillierten, meinen knusprigen Ehemann zum Abendessen geschnappt?

Kaiman 1

Kaiman 1

Ich greife nach der Taschenlampe und jage Richtung Dusche. Es ist stockfinster, aber dann erkenne ich im Lichtkegel der Taschenlampe Hugo, der wie versteinert am Ufer steht, das Badelaken lässig um die Hüfte geschlungen, Stirnlampe und Augen gebannt auf das Wasser gerichtet. Mein Herzschlag verlangsamt sich spürbar. Ich drehe meine Taschenlampe um 90 Grad auf den See und sehe riesige Augen, die das Licht reflektieren. Für Kaimane leuchten die gelben Scheiben zu groß, für Pferde eindeutig zu niedrig über der Wasseroberfläche. Was sind das für Tiere? Dann erkennen wir eine große Familie Capivaras, Wasserschweine (… die richtigerweise Nager sind und zu den Ratten zählen), die fröhlich hintereinander her durchs Wasser plantschen. Schwein gehabt…

Capivara mit Krönchen

Capivara mit Krönchen

PS: Wir lernen später, daß Kaimane friedliche Tiere sind und wir Menschen ihnen nicht schmecken.

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