Urlaub auf dem Bauernhof

Weiter geht es durch die wilde Serra da Bodoquena nach Miranda, einem kleinen „Land-Ei“ mit viel Lokalkolorit. In den Gesichtern entdecken wir hier verstärkt den Einfluß indigener Vorfahren. Wir finden ein schönes Plätzchen unter großen schattenspendenden Bäumen auf der Fazenda Meia Lua (= Halbmond), die wie zahlreiche Fazendas im Pantanal ihre Tore für den sogenannten „Eco-Tourismus“ geöffnet hat. Kein Massentourismus, sondern sie bieten wenigen Besuchern einfache Unterkünfte und manchmal Reisenden wie uns einen Stellplatz mit Zugang zu Wasser und Strom.

Auf Meia Lua

Auf Meia Lua

Das Eco-Label steht im Pantanal wie vielerorts für „ökologisch betrieben“, könnte aber auch genauso gut für „ökonomisch maximal genutzt“ stehen.  Auf jeden Fall wird der Begriff „öko“ hier in Brasilien sehr weit gedehnt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit angewendet, Hauptsache, es läßt sich damit dem Verbraucher ein zusätzlicher Dollar aus der Tasche ziehen. Auf der Fahrt hierher sind wir entlang kilometerlanger Maisfelder gefahren, bei welchen die Spitzen der Halme wie mit dem Rasiermesser abgeschnitten milimetergenau auf einer Höhe endeten. Die Gentechnik grüßt. Die großen Agrarflächen sind alle paar hundert Meter mit kleinen Tafeln zur angebauten Sorte gekennzeichnet und da lesen wir doch wahrhaftig: Eco-Gen Mais. Ja was denn nun??? Wir wissen aus unseren Gesprächen mit Ronnie und Hanzi, daß die Felder in Brasilien durch jahrzehntelange Monokulturen und Überweidung restlos ausgelaugt sind. Nur mit starker (Kunst-) Düngung und Kalk können rentable Erträge erzielt werden. Aber: Wir Europäer haben kein Recht, mit dem erhobenen Zeigefinger auf andere Nationen zu zeigen…

Auch wenn der Pantanal inzwischen vollständig unter Naturschutz steht: Es gibt hier kein Stück Land, das nicht irgendwem gehört und demzufolge auch irgendwie bewirtschaftet wird. Die Fazenderos sehen im aufstrebenden Eco-Tourismus eine moderne Möglichkeit, auf schnelle und einfache Weise Geld in die Farmkassen zu spülen. Gute Absichten lassen sich immer gut verkaufen und nur wer rechtzeitig auf die Welle aufspringt kann vorne mitsurfen. Dabei entsteht auch sehr viel Gutes: Artenschutz- und Reproduktionsprogramme sowohl für Fauna als auch Flora werden ins Leben gerufen, die Tiere und Pflanzen registriert und katalogisiert, verletzte Tiere liebevoll gesund gepflegt und behutsam wieder ausgewildert, das Bewußtsein bei Besuchern und in der Öffentlichkeit geschärft.

Kurz nach der Toreinfahrt auf Meia Lua treffen wir auf eine erste, vom Aussterben stark bedrohte Spezies, einen großen Ameisenbären, der mit seinen scharfen Krallen die Termitenhügel aufkratzt, um sich sein Leibgericht einzurüsseln: rund 30.000 Termiten pro Tag. Die urzeitlich anmutenden Tiere mit dem langen, rauen Fell können bis zu 50 kg schwer werden, sind tagaktiv, tragen ihre Babies auf dem Rücken spazieren und haben keine Zähne. Stattdessen besitzen sie eine schmale Zunge, die über 60 cm lang werden kann, und über ein Riechvermögen verfügt, welches 40x höher ist als das des Menschen. Der Ameisenbär läßt sich von uns bei seiner Mahlzeit nicht stören, obwohl wir nur wenige Meter entfernt stehen, und trollt sich nach ein paar Minuten gemächlich ins hohe Gras.

Großer Ameisenbär

Großer Ameisenbär

Zufällig treffen wir abends auf Meia Lua Ursi und Urs wieder, ein äußerst symphatisches und weitgereistes Pärchen aus der Schweiz, die wir in Foz schon kennengelernt hatten. Die Welt ist klein und es hat sich herumgesprochen, daß Reisende wie wir auf Meia Lua willkommen sind. So auch Hansueli, ebenfalls aus der Schweiz, der mit seinem Schäferhund in einem riesigen MAN durch Südamerika reist. Man trifft sich, tauscht sich aus, gibt Tipps und Erfahrungen weiter, verbringt eine gute Zeit miteinander, trinkt den ein oder anderen Wein, dann trennen sich die Wege wieder und man hofft auf ein Wiedersehen – irgendwo, irgendwann.

Meia Lua zählt mit ihren 800 ha (Wert ca. 3 Mio Euro) nicht zu den großen Fazendas in Brasilien, wie wir von Chicco, dem 21-jährigen Sohn des Besitzers, erfahren. Macht aber nichts … der Vater besitzt noch acht weitere. Nicht acht weitere Hektar, sondern Fazendas…! Die meisten Fazenderos leben selbst nicht mehr auf ihren Farmen, sondern lassen diese von einem Verwalter und Personal bewirtschaften. Meia Lua ist die Heimat von ca. 1.000 Rindern, einigen Schafen und den sechs Peones, die für den laufenden Betrieb zuständig sind. Sie arbeiten aufgrund des unwegsamen Geländes noch ganz traditionell zu Pferde. Chiccos Familie dagegen lebt heute in Sao Paulo das moderne Großstadtleben.

Eines Nachtmittags dann große Aufregung: Einer der Rinderhirten hat die giftigste Schlange des Pantanal entdeckt und zeigt sie uns. Wir halten gebührenden Abstand. Erfolgt keine unmittelbare medizinische Behandlung, ist der Biß tödlich, da das Gift in kurzer Zeit das Gewebe zersetzt. Die Schlange ist nicht besonders groß und gut getarnt, aber jetzt wissen wir, worauf wir zu achten haben.

Giftschlange auf Meia Lua

Giftschlange auf Meia Lua

Wir hatten überlegt, von Meia Lua aus direkt über Campo Grande, Coxim und Cuiabá in den nördlichen Pantanal zu fahren, um die Transpantaneira zu fahren. Da wir keinen Zeitdruck haben ändern wir unsere Planung mal wieder spontan und fahren erst einmal westwärts, um die Estrada Parque do Pantanal noch mitzunehmen, eine 117 km lange Piste, die über 87 Holzbrücken durch den süd-westlichen Pantanal bis nach Corumba an der bolivianischen Grenze führt und früher die einzige Verbindung war. Ob wir durchkommen ist ungewiß, denn der Klimawandel hat auch den Pantanal erreicht und für die Jahreszeit steht noch zuviel Wasser auf dem Land. Wir werden sehen.