Ischigualasto oder Ein Champignon in der Wüste

Wie eine langgezogene Oase zieht sich das grüne Valle Fertíl durch die ansonsten karge, jetzt im Sommer mit über 40 Grad bullenheiße Landschaft. Die Straße ist entgegen allen Informationen asphaltiert, ähnelt aber einer Berg- und Talbahn und bringt Unimoppel so richtig in Wallung. Die kleinen Dörfer sind für die betuchteren Einwohner des 250 Kilometer entfernten San Juans eine Art Sommerfrische, aber der Tourismus findet auf ganz kleinem Niveau statt und so haben die Orte ihre Beschaulichkeit, um nicht zu sagen verschlafene Verträumtheit, noch nicht eingebüßt.

Unser Ziel ist der Parque Provincial Ischigualasto, eine ausgedehnte Erosionslandschaft, ein Mekka der Dinojäger und ein Paradies für Fossiliensucher aus aller Welt. Vor 250 bis 199 Millionen Jahren, während der Trias, war hier Saurierland. Die Anden waren noch nicht aufgeschoben, so daß der vom Pazifik kommende Regen für üppige tropische Vegetation und Nahrung sorgte. Die Schichten der Trias liegen hier nicht viele Kilometer tief in der Erde, sondern offen und für das bloße Auge erkennbar. Hier entdeckten Paläontologen unter anderem den ältesten Dinosaurier der Welt, einen Eoraptor mit 228 Millionen Jahren, und auch heute noch gibt es jährlich neue spektakuläre Funde. Auch die kleinen bißwütigen Freunde mit den spitzen Zähnen, die in Jurassic Park die Küche zu einem so ungastlichen Ort machen, finden sich hier in großen Zahlen. Das kleine naturwissenschaftliche Museum am Parkeingang zeigt einige Saurierfunde und gibt Auskunft über die Entstehungsgeschichte dieser Landschaft.

Um die Einzigartigkeit der bizarren, aber sensiblen Landschaft nicht zu zerstören fährt man hier mit dem eigenen Fahrzeug im Konvoi einem ausgebildeten Parkführer hinterher, der an markanten Punkten sehr kenntnisreich über die geologische Evolution informiert. Er nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise; es geht viele Jahrmillionen in der Erdgeschichte zurück. Nur zehn Prozent des 630 Quadratkilometer großen Parks sind für die Öffentlichkeit zugänglich; über Sandpiste fahren wir in gut drei Stunden rund vierzig Kilometer. Der backofenheiße Wind bläst unentwegt und die Felsformationen scheinen in der Hitze zu regelrecht zu glühen. An manchen Tagen, wenn der sogenannte zonda mit über sechzig Grad und hoher Geschwindigkeit von den Anden herab durch die Landschaft fegt, muß der Park geschlossen werden, weil vor lauter Staub die Piste nicht mehr sichtbar ist.

Mit im Konvoi fährt eine „Motorradgang“, deren eigenwillig dekorierte Maschinen eher Kunstwerken gleichen.

Besonders markante Stellen im Park tragen Namen. Die Formation Los Rastros (= Die Spuren) zeigt anschaulich die verschiedenen Stufen der Evolution: Die sandigen Schichten zeugen von einem immer trockener gewordenen Klima, nachdem die Andenkette von den Erdkräften wie eine Klimabarriere aufgeschoben war; wohingegen die unteren Schichten mit ihren Fossilien und versteinerten Farnen Zeugen der vorangegangenen tropischen Zeit sind. Auch heftige Vulkanausbrüche, die sich vor Millionen Jahren ereignet haben, sind in Form von schwarzen Streifen auf ewig dokumentiert.

Giorgia O´Keeffe hätte an den skulpturenhaften Felsformationen ihre Freude gehabt. Auch wenn die Landschaft lebensfeindlich zu sein scheint ist sie Heimat einiger Tierarten, die mit wenig Wasser auskommen. Wir sehen Guanakos, die uns neugierig beäugen, und sogar einen Fuchs, dessen geschecktes Fell farblich mit den Pastelltönen der Umgebung zu verschmelzen scheint.

P1230179

Das Valle Pintado, das bemalte Tal, ist eine viele Kilometer lange polychrome Felsformation, deren Farben in der nachmittaglichen Sonne zu leuchten scheinen. Wir blicken in das weite Tal, aus dem die Stille wie Rauch aufzusteigen scheint.

Das Spiel der Farben im Licht ist so schön, daß selbst die beinharten Rocker, die „Verfluchten Ratten“, andächtig schauen und zu sprachlosen Softies mutieren.

P1230089

Im Flussbett des Rio Seco, des trockenen Flusses, findet man unzählige Felskugeln verschiedener Größe, die wie in die Ebene katapultierte eiserne Kanonenkugeln ausschauen. Die Gesteinsbrocken erhielten ihre kugelige Gestalt aufgrund ihrer besonderen Metallhaltigkeit. Werden sie in klaren Nächten vom Mondlicht angestrahlt, beginnen sie zu fluoreszieren.

Star des Parks aber ist ein Monolith, „El Hongo“, der wie ein riesiger Champignon in den blauen Himmel ragt und trotz der häufigen Erdbeben in dieser Region noch immer nicht umgefallen ist.

P1230216

Wir hoffen, er stürzt nicht gerade jetzt um, wo wir daneben stehen.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert