Ushuaia

Es wird Abend und wir haben schon fast das Ende der „Straße zum Ende der Welt“ erreicht. Wir möchten ausgeruht in Ushuaia ankommen und suchen uns einen ruhigen Stellplatz im Wald einige Kilometer oberhalb der Stadt. Über Nacht fällt Schnee und am Morgen sind nur wenige Hundert Meter über uns die Bergflanken weiß gepudert.

Wir fahren die letzten Kilometer, vorbei an den südlichsten Skipisten und Liftanlagen der Welt, dann liegt die 65.000 Einwohner zählende Stadt traumhaft schön in der großen Bucht am Beagle-Kanal unterhalb der frisch verschneiten Gipfel der Sierra Alvear und des Cordón Vinciguerra vor uns.

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Ursprünglich als eine Mischung aus Missionsstation, Staatsgefängnis und Versorungsposten von Goldsuchern und Schafzüchtern gegründet, erlebte Ushuaia einen regelrechten Boom während der Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983, als die Landesregierung willige Siedler mit Vergünstigungen lockten. Hintergrund waren ewige Grenzquerelen mit dem Nachbarn Chile in Südpatagonien und zunehmendes – auch internationales – Interesse an der Antarktis. Es hieß Präsenz zu zeigen. Heute hat sich die Stadt aufgrund ihrer Lage zu einem Touristenmagneten mit über 300.000 Besuchern pro Jahr aus aller Welt und zum Tor zur Antarktis entwickelt. Rund 40 Prozent der internationalen Gäste sind Kreuzfahrer, die meist nur ein bis zwei Tage im Ort bleiben und wenig Gelegenheit haben, die landschaftliche Schönheit kennen zu lernen.

Hoch über der Playa Larga, einem langen Strand, finden wir einen Stellplatz mit Blick auf die Stadt, die zu Chile zählende Isla Navarino im Süden und den weiten Arm des Beagle-Kanals, dessen spiegelglatte Wasseroberfläche wie poliertes Silber glänzt.

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Wir haben Glück mit dem Wetter; keine Spur von Sturmböen, die die Nähe zur Antarktis spüren lassen, oder Regenschauern, welche in ihrer Heftigkeit die Tropfen horizontal treiben. Wir frösteln nicht einmal. Es ist fast windstill, und ab und an bricht die Sonne sogar für längere Zeit durch die Wolkendecke. Auch die Thermik stimmt und so nutzt Hugo die sich hier sehr selten ergebende Chance für einen Flug mit dem Gleitschirm.

Verlaufen kann man sich in Ushuaia nicht: Wie in fast allen Städten Argentiniens – und auch Chiles – ist das überschaubare Zentrum in Blocks aufgeteilt und die wichtigen Straßen verlaufen parallel zum Ufer. Wir bringen unsere Wäsche in die lavanderia, auch hier zum praktischen Kilopreis, bummeln durch die Stadt und entlang der Uferpromenade, genießen in einer uralten, ganz mit Holz getäfelten Konditorei am Hafen einen submarino, wie hier eine heiße Schokolade genannt wird.

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Im Segelhafen liegen einige Yachten, die die furious fifties, screaming sixties und die stürmische Umrundung Kap Hoorns bereits überstanden haben oder sich darauf vorbereiten. Alte, bunt bemalte Holzhäuschen und Bauten aus der Gründerzeit stehen einträchtig neben Cafés in trendigem Design, wie man es auch in Mailand, New York oder Berlin findet. Es gibt viele Outdoor-Ausstatter und Touranbieter, die Ausflüge in die Umgebung, zu Pinguin-Kolonien, Segeltörns auf dem Beagle-Kanal oder Reisen in die Antarktis anbieten. Die Touren sind immer dieselben, die Preise auch. Die Restaurants, in deren Schaufenstern ganze Lämmer über offenem Feuer gegrillt werden, lassen uns im Vorbeigehen das Wasser im Mund zusammenlaufen.

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Die Atmosphäre ist lebhaft und modern, ohne bei all der touristischen Prosperität an Beschaulichkeit eingebüßt zu haben. Ushuaia macht auf uns alles andere als einen verstaubten oder vergessenen Eindruck, es gefällt uns gut hier in der südlichsten Stadt der Welt, die diesen Namen eigentlich zu Unrecht trägt, denn das chilenische Puerto Williams auf der gegenüber liegenden Isla Navarino liegt noch südlicher. Aber man hat einen Kompromiß gefunden, zumindest vorläufig: Ushuaia darf, da deutlich größer, den Titel „Südlichste Stadt der Welt“ tragen, Puerto Williams mit seinen gerade einmal 2.000 Einwohnern den Titel „Südlichster Ort der Welt“. Auch am Ende der Welt werden Haare gespalten.

Nachdem wir uns Appetit erlaufen haben dürfen wir auch hemmungslos der lokalen Kulinarik frönen. Hugo gönnt sich ein immens großes, butterzartes Steak und ich freue mich auf die feuerländische Spezialität, frische centolla.

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Die roten Königskrabben, auch Meeresspinnen genannt, sind mit ihrer Spannweite von fast einem Meter riesig. Anders als bei anderen Krebsarten kann man die langen dünnen Beine und Scheren beim Essen ignorieren. Das Fleisch wird aus dem Körper gezupft, bis zu 300 Gramm pro Krabbe, und schmeckt fantastisch. Die Portion bereits ausgelösten Fleisches, die mir zusammen mit geschmolzener Butter und mehreren Dips serviert wird, ist mehr als reichlich.

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