Cusco

Der Sonnengott Inti sandte seine beiden Kinder, die ersten Inkas Manco Capac und Mama Ocllo, auf die Erde, um Kultur und Erleuchtung unter die Menschheit zu bringen. Von der Isla del Sol im Titicacasee begaben sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Standort für ihr zukünftiges Wirken. Sie trugen einen goldenen Stab mit sich, und die Prophezeihung besagte, wo dieser sich fest in die Erde bohren würde, dort sollten sie sich niederlassen und ihr Reich gründen. Als sie die Stelle des heutigen Cusco erreichten, sank der Stab tief in den Untergrund. Das war das Zeichen, hier ihre Stadt zu gründen, die sie „Qosqo“ nannten, was Nabel der Welt bedeutet.

Eine schöne Geschichte, die gut zum Mythos um Machu Picchu passt.

Cusco, um 1200 gegründet und auf 3.400 Metern Höhe gelegen, zählt zu den schönsten und abwechslungsreichsten Städten Südamerikas. Die Nachfolger Manco Capacs und Mama Ocllos bauten in den folgenden 300 Jahren Cusco in vieler Hinsicht zum Zentrum aus. Hier kreuzten sich die beiden Hauptachsen des Inka-Reiches, hier errichtete man die wichtigsten Heiligtümer und Paläste, hier befanden sich die Residenzen der Adelsfamilien und des obersten Inka-Fürsten. Cusco war das Herz des Inka-Imperiums, das sich in der Blütezeit vom Süden des heutigen Kolumbiens bis nach Mittelchile erstreckte, und auch heutzutage fasziniert sie Hunderttausende mit ihrem kolonialen Glanz, der sich auf den schweren steinernen Fundamenten der Inka entfaltet. Von einem Bauerndorf entwickelte sich Cusco zu einer großen und wohlhabenden Stadt mit Palästen und Tempeln und rund 200.000 Einwohnern. Der Cusco-Experte Peter Frost schreibt in seinem Buch „Exploring Cusco“, daß die Stadt unter den Quechua-Indianern als Pilgerstätte einen ähnlich hohen Stellenwert besaß wie Mekka in der moslemischen Welt.

Dann kamen die Spanier. Als Francisco Pizarro und seine goldgierige Bande von Konquistadoren 1533 in Cusco einzog, war er überwältigt von den immensen Schätzen der Stadt. Wie schon vorher im Norden des Landes folgten einige Jahre kriegerische Auseinandersetzungen, in deren Folge die Spanier alles Gold und Silber der Stadt zusammenrafften, kurzerhand einschmolzen und zum größten Teil nach Spanien verschifften. Der letzte Inka-Herrscher, Manco, zog sich geschlagen in den Dschungel nach Vilcabamba zurück, die Stadt, die der junge Forscher Hiram Bingham suchte und stattdessen Machu Picchu fand.

Auf den von den Schlachten und Plünderungen unzerstörten Fundamenten der Inka-Bauten Cuscos errichteten die Spanier prachtvolle Kolonialbauten. Doch auch die neue Pracht war nicht von Dauer. Rund 80% der kolonialen Gebäude fielen dem großen Erdbeben von 1650 zum Opfer, wurden aber von den stolzen Cuscenos in ebensolchem Glanz neu errichtet. Ein eindrucksvolles und detailgenaues Bild des Erdbebens hängt, neben 400 weiteren wertvollen Gemälden der Escuela Cusquena, in der mächtigen Kathedrale an der Plaza de Armas, die auf den Grundmauern eines Inkatempels errichtet wurde. Der Hauptaltar besteht aus 180 Kilogramm massivem Silber, das von Sklaven aus den Minen von Potosi im heutigen Bolivien herbeigeschafft wurde. Rechts des Altares hängt das sehenswerte Bild „Das letzte Abendmahl“ vom Künstler Marcos Zapata, auf welchem ein knusprig gebratenes cuy (Meerschweinchen) auf dem reich gedeckten Tisch allen anderen die Schau stiehlt. Kein Scherz.

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Bemerkenswert ist auch ein Geschenk Kaiser Karls V., welcher der Stadt nach dem verheerenden Erdbeben mit der Figur „Senor de los Temblores“ einen Schutzpatron stiftete. Seit 1650 wird die Heiligenfigur in gold- und edelsteinverzierter Kleidung bei Prozessionen durch die Stadt getragen und ist vom Rauch der vielen Kerzen inzwischen ganz schwarz.
Leider dürfen wir in den prachtvoll ausgestatteten Innenräumen der Kathedrale mit unzähligen vergoldeten Seitenaltären nicht fotografieren.

Vor den großen Toren liegt die Plaza de Armas, der Mittelpunkt von Cusco, der auch das Herz der alten Inkastadt war. Der Platz ist fast vollständig von Arkadengängen, den Portales, umgeben und bietet dem bunten Publikum aus Einheimischen und Touristen eine friedliche Kulisse. Aber der Platz hat auch viel Blut gesehen, zuletzt die Hinrichtung des letzten Inca Tupac Amaru II im Jahre 1781.

Bei einem Bummel über das Kopfsteinpflaster der Innenstadt erleben wir gleichzeitig das Cusco von einst und von heute. Die Mischung aus Tradition und Moderne stimmt, auch wenn sich bereits einige der üblichen Verdächtigen namens Starbucks & Co an den dollarträchtigsten Punkten breitgemacht haben. Dort sitzen sie dann, die Traveller und Backpacker, mit ihren i-phones und Macs und skypen mit zuhause was das Zeug hält. Anscheinend haben sie alle Heimweh. Miteinander reden tun sie dagegen nicht.

Wir logieren mit Unimoppel auf der Quinta Lala, nur wenige Meter von der mächtigen Festungsanlage der Inka, Saksayhuama (ungefähr ausgesprochen wie „sexy woman“) entfernt unmittelbar über der Stadt und treffen dort einige Traveller wieder, die wir in La Paz kennen gelernt hatten: eine Familie aus Berlin, zwei Familien aus Frankreich, ein Pärchen aus Dänemark, eines aus den USA. Die Welt ist klein, das Hallo groß – an solchen Hot Spots trifft man sich wieder.

Nur noch 20% des ursprünglichen Saksayhuama sind heute noch erhalten, aber selbst das ist noch imposant. Das terrassenförmig angelegte Bollwerk besteht aus fast fugenlos ineinandergepassten gigantischen Steinblöcken, der größte wiegt ca. 350 Tonnen. Rund 30.000 Indios arbeiten 70 Jahre an der Festung, die nach der Eroberung Cuscos durch die Spanier als Steinbruch für ihre Kolonialbauten hemmungslos geplündert wurde.

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