Personenkult

Zitat: Sandro Benini für den schweizerischen Tagesanzeiger aus Mexico-City am Freitag, den 25.7.2014

Inszeniert sich als Volksheld: Boliviens Präsident Evo Morales

Militärdiktaturen und Putsche von Offizieren gegen demokratisch gewählte Regierungen gibt es in Lateinamerika nicht mehr, was einen großen zivilisatorischen Fortschritt bedeutet. Doch auch heutige lateinamerikanische Präsidenten wollen verehrt werden und betreiben ziemlich schamlos Propaganda für sich selbst. Zum Beispiel der Bolivianer Evo Morales. Er hat seine ehemalige Kabinettschefin beauftragt, ein Kinderbuch mit dem Titel „Die Abenteuer von Evito“ zu gestalten, in dem die Kindheit des Präsidenten glorifiziert wird.

Ein Kapitel lautet „Evito geht zur Schule“, ein anderes „Evito spielt Fußball“. Bei der Buchpräsentation in der venezolanischen Botschaft in La Paz sagte die Autorin: „Ich wollte den Kindern zeigen, wie prekär ihre Situation früher war, und wie gut sie es dank Präsident Evo Morales heute haben.“ Einen Teil der Auflage verteilten die Behörden gratis, und dasselbe werden sie wohl mit den übrigen vier geplanten Evito-Büchern tun, die das Leben des ehemaligen Coca-Bauern-Gewerkschaftsführers bis zum Beginn seiner glorreichen Präsidentenschaft erzählen sollen.

Auch in Venezuela beglückt die Regierung Schulkinder mit erbaulichen Werken. Sie verteilt an den Schulen ein „Illustrierte Verfassung der bolivarischen Republik Venezuelas“.
Darin ist zu bewundern, wie der verstorbene Präsident Hugo Chavez gütig lächelnd mit Kindern spielt – unter dem Titel „Höchste Glückseligkeit“. Eine andere Illustration zeigt, wie Chavez gottgleich vom Himmel herab auf seinen Nachfolger Nicolas Maduro blickt, der mit umgehängter Präsidentenschärpe triumphierend die Hand hebt. Titel des Bildes: „Demokratie“. Von großem didaktischen Wert ist auch folgende aus einem venezolanischen Schulbuch stammende Mathematikaufgabe: „In einem staatlichen Unternehmen wird gemäß den solidarischen Prinzipien der bolivarischen Konstitution Zucker verpackt.. Für eine Bestellung sind 12 Kilogramm Zucker in Säcken zu 1,5 Kilos zu verpacken. Wie viele Säcke braucht es?“

Argentiniens Präsidentin Christina Fernandez de Kirchner hat den Fimmel, jedes Bauwerk und jede Institution nach ihrem verstorbenen Ehemann und Vorgänger Nestor Kirchner zu benennen. Hier ist eine bei weitem nicht vollständige Liste: Das Busterminal in San Salvador de Jujuy. Ein beheizbares Schwimmbad in Apostoles. Eine Turnhalle in Palpala, die allerdings nicht einfach Nestor Kirchner heißt, sondern „Olympisches Gemeindestadion Präsident Nestor Kirchner“. Das Integrationszentrum in Venado Tuerto. Ein von Geröll bedeckter Fußballplatz in Chubut. Und so weiter und so weiter. Ein Journalist der oppositionellen Zeitung Clarin hat sich den Spaß gemacht, auf Tumblr unter dem Titel „Benenne alles nach Nestor“ Beispiele zusammenzutragen.

In Ecuador schließlich hat kürzlich das Informations- und Kommunikationsministerium die Chefredaktoren dreier nationaler Zeitungen einberufen, um sich zu beklagen: Die Blätter hätten skandalöserweise mit keinem Wort erwähnt, daß Präsident Rafael Correa zur Verleihung der Ehrendoktorwürde nach Chile gereist war.

Einen Lichtblick in diesem von präsidialer Eitelkeit und sonstigem Wahnsinn gebeutelten Kontinent gibt es: Luis Guillermo Solis, Costa Ricas seit Mai regierender Präsident. Der Mitte-links-Politiker hat verfügt, daß in keiner Amtsstube des Landes sein Konterfei hängen darf, in keiner Polizeistation und in keiner Botschaft. Es dürfe auch kein öffentliches Gebäude eine Plakette mit seinem Namen tragen. „Der Persönlichkeitskult ist zu Ende, zumindest während meiner Regierung“, begründete er die Maßnahme. Aber der liberalen Opposition ist das auch nicht recht. Deren Chef Juan Luis Jimenez Succar sagte: “Dieses populistische Getue beweist, daß sich der Präsident noch immer benimmt wie im Wahlkampf“. – Zitat Ende.

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