Nabelschau

Von Rondonopolis aus sind wir auf dem Weg nach Chapada dos Guimaraes, einem Gebirgsplateau mit vielen Schluchten bei Cuiaba. Ganz in der Nähe liegt zwar nicht der Nabel der Welt, aber immerhin der geodätische Mittelpunkt Südamerikas. Da es noch früher Nachmittag ist machen wir uns auf die Suche und treffen prompt auf ein altes Holzschild mit eingeschnitzten Koordinationen und einem Pfeil, der eindeutig nach rechts zeigt. In ein Maisfeld. Okay, es führt dort eine Piste hinein und Pisten mussten wir schon des Öfteren fahren, um irgendwohin zu kommen, warum also nicht? Wir biegen rechts ab und fahren, bis wir an eine nicht weiter beschilderte Kreuzung kommen. Links oder rechts? Wir entscheiden uns für „grobes Richtungsfahren“ und biegen nach links ab. Dann die nächste Kreuzung, diesmal mit drei Optionen, ein Schild ist nirgendwo zu entdecken. So geht es eine ganze Weile mit Kreuzungen weiter bis wir uns inmitten des kilometerlangen Maisfeldes komplett verfranst haben. Bei fast drei Meter hoch gewachsenen Maisstauden rechts und links, vorne und hinten ist es mit der optischen Orientierung dann auch nicht mehr weit her. Also bleibt nur eine Lösung, wenn wir nicht den Track zurückverfolgen wollen: Solange weiterfahren, bis wir wieder auf eine befestigte Straße kommen. Der Nabel Südamerikas ist uns inzwischen egal. Es geht weiter durch endlosen Mais, über eine Holzbrücke, die uns zum Glück trägt und irgendwann haben wir die asphaltierte Straße wieder erreicht.

Wir sind einige Kilometer gefahren, als die Vegetation am Straßenrand plötzlich vollständig weicht und den Blick auf das rund 800 Meter tiefer liegende Pantanalbecken frei gibt. Dann sehen wir ein uns entgegenkommenden Auto rechts abbiegen und fahren hinterher. Wenige Minuten später stehen wir am Nabel Südamerikas und können bei klarem Wetter Hunderte Kilometer weit in die Tiefebene blicken. Ein Panorama, das uns den Atem raubt.

Chapada 2

Chapada 7

Aber der Tag wird noch besser. An der Kante des Plateaus entdecken wir eine Gruppe von Gleitschirmfliegern bei ihren Startvorbereitungen. So schnell, wie Hugo auf dem Dach des Unimogs bei seinem Gurtzeug ist, habe ich noch keine Affen auf die Bäume flüchten sehen! Nach dem obligatorischen Erfahrungsaustausch mit den lokalen Piloten kann es losgehen. Einzige wirkliche Herausforderung ist, daß zwingend top-gelandet werden muß. Hat man kein Steigen und versenkt sich in die Tiefebene, dann landet man unweigerlich im Dschungel des Pantanals und eine Rückholung bzw. Rettung ist langwierig, wenn nicht sogar aufgrund des unzugänglichen Geländes unmöglich. Bei jedem gelungenen Start jubeln die zuschauenden Brasilianer frenetisch und klatschen Beifall. Dann geht Hugo raus und genießt bei soften Luftverhältnissen einen Traumflug entlang der Steilkante.

Chapada 8

Chapada 3

Nach einer guten Stunde landet er – zum Glück oben – und strahlt wie ein Honigkuchenpferd.

Chapada 9

Kurz vor Anbruch der Dunkelheit erreichen wir unser Nachtquartier, einen winzigen Camp Ground im Ort Chapada dos Guimaraes. Die Einfahrt gestaltet sich schwierig, da die Stromleitungen für Unimoppel viel zu tief hängen. Wir versuchen, sie mit unserer Angel hochzuschieben, aber es reicht nicht. Dann klettert der Verwalter aufs Autodach, um die Strippen hochzuhalten. Auf meine Frage, ob das auch sicher sei, sagt er nur: „Si si!“ Ich glaube ihm, bis ich später den Duschkopf sehe: Offen liegende Kabel! Egal, wir bekommen Unimoppel jedenfalls auf den Camp Ground rangiert, dessen Fassungsvermögen damit zu 80% ausgelastet ist, und machen uns vorläufig keine Gedanken darüber, wie wir hier wieder rauskommen. Als ich Hugo zum Abendessen dann noch Nudeln mit Bröseln und Spiegelei serviere ist er der glücklichste Mann der Welt.

3 Gedanken zu „Nabelschau

  1. DerNachbar

    Lästere nur über das kleine Glück Deines Ehemanns – ich freue mich schon auf Hugos Bericht über seine im Anblick eines Baby-Lamas dahinschmelzende Ehefrau 😉

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  2. Peter Rogge

    Hallo Ihr Lieben, da steht sogar die bisher sehr spannende und überraschende WM hintenan. Ich hoffe wirklich sehr dass ich ähnliches ab Montag berichten kann. Nur sind dann nicht Menschen sondern Bären und Wale u.a. unsere Begleitet. Ich beneide Euch noch immer und wünsche weiter gute Fahrt und gute Flüge.

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    1. Daniela Rameil-Erdl Beitragsautor

      Hallo Peter, wir schauen uns gleich Deutschland – Ghana an; am Fußball kommt man hier in Brasilien nicht vorbei. Wir wünschen euch eine gute Zeit in Canada und freuen uns auf ein Lebenszeichen von unterwegs. Gute Reise udn bis bald!

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