Anpfiff in Campo Grande

Wieder zurück auf der Fernstraße nehmen wir Kurs auf Campo Grande und fahren rund 280 km ostwärts. Eigentlich interessieren uns die großen Städte nicht sonderlich und wir wollen in der Nähe von Campo Grande nur eine Tankstelle als Zwischenstopp und Übernachtungsplatz ansteuern. Als wir ankommen ist es noch früh und wir beschließen, einmal die Ost-West-Achse, die Avendia Afonso Pena, mitten durch das Stadtzentrum zu fahren. Ist der erste Eindruck positiv, dann bleiben wir, wenn nicht, dann fahren wir „hinten“ wieder raus aus der 750.000-Einwohner-Stadt.

Die Entscheidung fällt nicht schwer: Campo Grande präsentiert sich von der besten Seite. Sehr sauber, modern und tiefenentspannt. Wir bleiben, und finden zentrumsnah einen Stellplatz an der Straße vor einem Hostel, etwas laut, aber dafür sicher. Von hier aus können wir alles gut zu Fuß und mit dem Bus erreichen. Nach so viel Natur in den letzten Tagen ist uns jetzt nach etwas Kultur und quirligem Leben: Wir besuchen den überdachten Mercado Publico mit seinen unzähligen Ständen und erstehen verschiedene Gewürze, die wir nicht kennen, und die fünfte (!) scharfe Soße. Anschließend kaufen wir spontan zwei Bustickets und fahren zum Parque das Nacoes Indigenas am anderen Ende der Stadt, um das Museu das Culturas Dom Bosco zu besuchen, welches mit über 5.000 Exponaten einen Einblick in das Leben der Ureinwohner dieser Region gibt. Wir sind begeistert von dem kleinen, feinen Museum. In gut überlegtem, zurückhaltendem Ambiente werden handgefertigte Waffen, filigraner Schmuck, Musikinstrumente, Gefäße und Werkzeuge der Indianer ausgestellt. Dazu Kopfschmuck aus Federn, der schöner nicht sein könnte. Philip Tracey würde vor Neid erblassen! Auf großen Tafeln wird nicht nur die Geschichte der vielen unterschiedlichen Indio-Stämme erklärt, sondern auch die heutige geographische Verbreitung. Traurig zu sehen, daß einige Stämme ganz ausgestorben sind und es von manchen heute nur noch gerade einmal 600 Nachfahren gibt.

Auf dem Rückweg zur Busstation sehen wir, daß im Park eine große Leinwand und Lautsprecher aufgebaut werden. Morgen ist WM-Auftakt; Brasilien spielt gegen Kroatien. Im Vorfeld hatten wir immer wieder von schweren Massenausschreitungen gehört und entschieden, public viewings in großen Städten zu meiden, aber da auch der zweite Eindruck von Campo Grande eindeutig entspannt ist beschließen wir, das Spiel live im Kreise der Brasilianer mitzuverfolgen. Eine bessere Gelegenheit werden wir nicht mehr haben. Wir schmücken Unimoppel rechts und links mit grün-gelben Bannern und am nächsten Tag fahren wir zum Park.

Fan mit grüner Perücke Doc

Es ist eine einzige Show! Als wir ankommen, ertrinken wir in einem gelb-grünen Meer. Niemand, der nicht mindestens ein T-Shirt, eine Perücke, eine Flagge oder Gesichtsbemalung in den brasilianischen Nationalfarben trägt, am besten gleich mehreres zusammen. Mit meinem langweiligen schwarzen T-Shirt – und ja, wieder einmal den schwarzen Leggins – bin ich das sprichwörtliche scharfe Schaf und fühle mich wie ein Pickel auf Schneewittchens Teint. Als die brasilianischen Nationalspieler ins Stadion einlaufen bricht um uns herum infernalischer Jubel aus und die Sambatrommel dröhnt bis zur Copacabana. Die Brasilianerinnern haben sich aufgebrezelt wie für die Disco: Knappste Shirts, noch knappere Shorts und Ultrahighheels, aber zur Brasilianerin (und zum Brasilianer) verraten wir an anderer Stelle mehr.

Die Diven von hinten Doc

Hugo und ich sind so mit people watching beschäftigt, daß wir das 1:0 für Kroatien nicht mitbekommen. Bei allen Toren, die Brasilien schießt, bricht minutenlang frenetisches Gejubel aus. Als das Spiel vorbei ist, sind wir längst von der ausgelassenen Stimmung angesteckt und fahren laut hupend mit Unimoppel im Konvoi zurück in die Stadt.

PS: Mit Doppelclick auf die Bilder könnt Ihr sie öffnen und in vollem Format anschauen.

Zwei Girls und ein Mann Doc

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