Punta Arenas

Wir verlassen den spitzen Zipfel Südamerikas und fahren mit den Ziel Punta Arenas zurück über die PanAm Richtung Norden. In Rio Grande, der, wie wir jetzt wissen, Welthauptstadt der Forelle, füllen wir Tanks und Kühlschrank auf und lernen im Supermarkt Jamie kennen, einen sehr sympathischen Briten, der in Schleswig-Holstein lebt und für ein belgisches Unternehmen unter anderem in Südamerika Unterwasser-Pipelines verlegt. Global Business. Sechs Wochen Arbeit, dann sechs Wochen Urlaub in der Heimat. Die Bezahlung ist Spitze, die Unterbringung im besten Hotel der Stadt ebenfalls gut, nur mit der Arbeitsmoral der Argentinier hapert es ziemlich, so klagt er uns sein Leid. Fehlt bei der Lunch-Versorgung mal ein Tütchen Mayonnaise, dann wird unerbittlich drei Tage gestreikt.

Wir übernachten am Grenzübergang San Sebastian neben den Zollhäuschen und rutschen am nächsten Tag rüber nach Chile. Hier endet der Asphalt und die Straße geht bis Porvenir in eine Schotterpiste über, die entlang der bahia inutil, der unnützen Bucht, bis an die Küste der Magellanstraße führt. Der ewige Wind Feuerlands fegt wie immer ungebremst über die lichte, fast gänzlich unbesiedelte Steppenlandschaft. Unsere Helden sind die Radfahrer, denen wir hier auf Feuerland immer mal wieder begegnen. Manche fahren nur eine kleine, aber nicht weniger anstrengende Teilstrecke, andere befahren die gesamte Strecke von Prudhoe Bay bis Ushuaia. Mit Minimalgepäck und eiserner Disziplin trotzen sie dem Wetter und erkämpfen sich Kilometer für Kilometer. Chapeau!

Die Kleinstadt Porvenir mit heute rund 5.000 Einwohnern wurde während des kurzen Goldrausches von in der Mehrheit kroatischen Einwanderern um 1880 errichtet. Wir planen, am nächsten Tag die einmal täglich verkehrende Fähre nach Punta Arenas zu nehmen, vorausgesetzt, sie fährt, denn bei zu starken Winden wird der Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt und es heißt abwarten.

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Wir finden einen schönen Stellplatz am kleinen Leuchtturm oberhalb der bahia chilote, aber in der Nacht frischt der Wind nochmals auf und der Unimog bekommt ordentlich was auf den Popo. Er schwankt wie eine Hamburger Hafenbarkasse bei Sturmflut und unsere Nacht ist entsprechend unruhig, aber wir heben nicht ab. Am nächsten Tag erfahren wir, daß die Windgeschwindigkeit 80 Knoten betrug, also Orkanstärke. Bis zum frühen Nachmittag ist der Wind soweit abgeflaut, daß die Fähre starten kann. Die wellengeschüttelte Überfahrt dauert zweieinhalb Stunden, aber wir werden mit Walfontänen und Delphinen belohnt, die vor dem Bug gutgelaunt ihre Kunststückchen vorführen.

Punta Arenas, die Hauptstadt der Region Magellanes und südlichste Kontinentalstadt der Welt, präsentiert sich mit einem sehr gepflegten Stadtzentrum, einer hübschen plaza, die zum Verweilen einlädt und einem sehenswerten Friedhof. Die Stadt wurde Mitte des 19ten Jahrhunderts als Militärstützpunkt und Strafkolonie gegründet. Ihre Blütezeit als Handels- und Hafenmetropole reichte bis zu Eröffnung des Panamakanals, dann ereilte sie das gleiche Schicksal wie so viele andere Hafenstädte auf der Route: Die Stadt wurde für die Schifffahrt redundant. Die wirtschaftliche Flaute sollte aber nur vorübergehend sein: Schnell entdeckte man, daß sich die Region bestens für die Schafzucht und Wollproduktion eignete. Mit dem Boom kam der Wohlstand und viele Siedler und Geschäftsleute aus Europa.

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Auf der Plaza de Armas steht eine beeindruckende Bronzeskulptur mit Magellan als zentraler Figur. An zwei gegenüber liegenden Seiten sitzen zwei bronzene Indianer, welche die später ausgerotteten Stämme der Ona und Aonikenk darstellen. Küßt man den großen, schon blanken Zeh eines der Indianer, dann kehrt man nach Patagonien zurück. Die gutgebaute Meerjungfrau besitzt gleich zwei Schwänze, die den atlantischen und den pazifischen Ozean symbolisieren sollen, welche von der Magellanstraße verbunden werden.

Viele Schafbarone der umliegenden estancias bauten sich in Punta Arenas repräsentative Stadtvillen, wobei Tapeten, Möbel, Polster, Teppiche, Waschtische, Kamine und selbst das Parkett für die Böden über den Atlantik aus Europa herbeigeschifft wurden. Auf dem Rückweg transportierten die Schiffe tonnenweise Schafwolle.

Der Friedhof der Stadt ist ein Kleinod und wurde zum chilenischen Nationaldenkmal erklärt, was offensichtlich ein sattes Eintrittgeld von den Lebenden rechtfertigt.

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In Form gestutzte Zypressen säumen die Alleen, an denen sich die Gräber und Mausoleen aneinander reihen. Der verflossene Ruhm der Gründerzeit ist unübersehbar. Manche Grabstätten sind verschnörkelt und verspielt, manche puristisch schlicht gehalten.

Viele Gräber tragen kroatische, italienische, polnische und schweizerische Namen. Auch zahlreiche deutsche Einwanderer sind hier bestattet und es gibt sogar eine gemeinsame Grabstätte unter einem Kreuz der „Deutschen Kranken Kasse“.

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