Estancia Haberton

Bevor wir uns vom Ende der Welt verabschieden statten wir der Estancia Haberton noch einen Besuch ab. Von Ushuaia fahren wir über eine Piste 75 Kilometer durch Urwald und entlang großer Weideflächen nach Osten. Unterwegs bieten sich wunderschöne Ausblicke auf die Bergkette der chilenischen Isla Navarino und Puerto Williams. Vereinzelt stehende zerzauste Bäume zeigen unmissverständlich die vorherrschende Windrichtung an.

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Die älteste estancia im argentinischen Teil Feuerlands liegt in einer wunderschönen Bucht des Beagle-Kanals und wurde 1999 zum Nationaldenkmal erklärt. Gegründet wurde sie 1886 von dem britischen Missionar Reverend Thomas Bridges, ein britisches Waisenkind, der das Land von Präsident Roca geschenkt bekam. Wie kommt man zu einem so üppigen Geschenk? Thomas Bridges war als Missionar bereits auf den Falklandinseln tätig gewesen und hatte dort die Sprache der Yámana, der Ureinwohner, – Yaghan – erlernt. 1870 gründete er die anglikanische Mission in Ushuaia und begann, sich noch stärker für die Kultur und Sprache der Ureinwohner zu interessieren. Im Verlauf seiner Forschung erstellte er ein Wörterbuch der Yaghan-Begriffe, welches insgesamt 32.000 Einträge umfasst. Bridges verdanken wir das umfangreiche Wissen über die Ureinwohner, die einstmals die Kanäle mit ihren Kanus befuhren und heute ausgestorben sind. Als Dank für sein Lebenswerk schenkte ihm Präsident Roca das grasbewachsene, sanft-hügelige Land an der windgeschützten Bucht. Ein recht großzügiges Dankeschön, denn der Besitz ist immerhin 20.000 Hektar groß.

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Bridges benannte das Land nach dem englischen Städtchen Haberton, aus welchem seine Frau stammte. Die Kirche mit ihrem großen Portemonnaie und wie immer nicht kleinlich, wenn es um den Fang neuer Seelen geht, finanzierte den Bau eines Wohnhauses, welches in England erst errichtet, dann wieder abgebaut, mit einem Segelschiff nach Südamerika verschifft und dort wieder neu zusammengesetzt wurde.

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Die Ureinwohner, Yámana und Mannekenk, waren auf der estancia immer willkommen und auch etliche Wissenschafter, Goldsucher und Schiffbrüchige fanden hier ein vorübergehendes Zuhause. Aufgrund des regen Betriebes entstand hier der erste Gemischtwarenlanden Feuerlands, der die Menschen mit Fleisch und Gemüse, aber auch mit Importwaren versorgte. Heute kann man den botanischen Garten, die Werkstatt, den Schafscherschuppen, das Bootshaus und einige renovierte Holzgebäude besichtigen. Im historischen Haupthaus leben die Nachfahren von Bridges, die Familie Goodall, daher ist dort der Zutritt nur für die sogenannte „Teestube“ mit ihrer kleinen Ausstellung zu den Yámana möglich. Auch besagtes umfangreiches Wörterbuch liegt dort aus und man kann darin blättern. Nachdem ein strenger Winter die ehemals 9.000 Schafe der estancia auf 1.000 dezimiert hatte wurde die Schafzucht vor einigen Jahren ganz eingestellt.

Wir finden auf dem Rückweg an einem Fluß einen schönen Nachtplatz und sehen am nächsten Morgen einen Schwarm der kleinen, grün-rot gefiederten patagonischen Smaragd-Papageien, die genauso lärmend wie ihre brasilianische Verwandschaft durch den Wald ziehen.

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