Coyhaique

Für einen Moment drehen wir die Zeit zurück – im Blog können wir das 🙂 – und sind wieder in der Zeit kurz vor Weihnachten. Das Internet hier in Patagonien ist, wenn überhaupt verfügbar, anorexisch. Die chilenische Regierung hat auf den Plazas in den abgelegenen Ortschaften zwar kostenlose Hotspots eingerichtet, aber jedes Bit wird einzeln durchgeschoben und nach maximal einer halben Stunde fliegt man automatisch aus dem Netz. Wir kommen deshalb mit dem Bloggen nicht nach.

Wir sind in Coyhaique angekommen, dem „Land zwischen den Wassern“. Hier fließen der Rio Simpson und der Rio Coyhaique zusammen und die indianischen Ureinwohner nannten das Land entsprechend „Koi-Aike“. Die Stadt ist die Hauptstadt der Region Aysén, der mit 0,9 Einwohnern pro Quadratkilometer am dünnsten besiedeltsten Region Chiles. Die Region Aysén verfügt laut Volkszählung 2012 insgesamt über 108.494 Einwohner, wovon etwas über 50.000, also knapp die Hälfte, in Coyhaique leben. Weitere 30.000 leben in der Stadt Puerto Aysén. Zieht man diese von der Gesamtzahl mal ab, dann bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, wie dünn der Rest der Region Aysén, die immerhin einen Flächenanteil von 14,3% an Chile hat, besiedelt ist. Zum Vergleich: Die Hauptstadtregion Santiago de Chile hat einen Flächenanteil von 2% und eine Bevölkerungsdichte von 434 Einwohnern pro Quadratkilometer. Deutschland hat eine Bevölkerungsdichte von 226,9 Einwohnern pro Quadratkilometer und liegt damit weltweit auf Platz 17, Chile auf Platz 67. Auf den Plätzen 1 bis 3 liegen übrigens Monaco, Singapore und Hongkong.

Wir schauen im Ort zunächst bei Mercedes Kaufmann vorbei. Unsere Ersatzteile aus Deutschland für die Heizung sind noch nicht eingetroffen, sondern liegen vermutlich noch irgendwo beim Zoll, aber wir müssen auch am linken Vorderrad die Dichtung für das Portalgetriebe austauschen lassen, da dieses Öl leckt. Die Werkstatt ist zwar etwas kleiner als die bisherigen, die wir im Laufe der Reise aufgesucht haben, aber der Kaufmann-Service ist wie gewohnt außerordentlich gut.

Auch wenn Coyhaique das wirtschaftliche Zentrum der gesamten südlichen Carretera Austral ist, so vermittelt der Ort einen beschaulichen, eher dörflichen Eindruck. Es gibt einige bescheidene Geschäfte und Restaurants, ein Kino und eine schöne, mit großen Bäumen bestandene fünfeckige Plaza im Zentrum. Als wir samstags dort auf einer Bank sitzen versammeln sich plötzlich Hunderte Menschen im Halbkreis um eine Bühne, wo sich schon ein kleines Orchester in festlicher Kleidung zusammengefunden hat. Wir denken zunächst, es ist eine vorweihnachtliche Aufführung, vielleicht von einer Schule. Weit gefehlt: Eine Wanderpredigerin der Methodisten-Pfingstkirche in leuchtend pinkfarbenem und reich besticktem Gewand tritt auf. Mit schöner, alles durchdringender Stimme schmettert sie, von Chor und Orchester begleitet, gute zwei Stunden lang ihre Weisheiten in Form von Liedern und Predigten in die Runde. Die Show – eine Mischung aus blumigsten Verheißungen des Paradieses und blutrünstigsten Androhungen von Fegefeuer und Hölle untermalt mit melodischen lateinamerikanischen Rhythmen – stimmt; die Menge lauscht gebannt, klatscht, singt mit, jubelt ihr zu, macht Fotos und Filme mit dem Handy.

Nachdem wir das übliche Pflichtprogramm erledigt und einen Supermarkt, Geldautomat und eine Wäscherei angesteuert haben, fahren wir in den mit Südbuchen und Kiefern bewachsenen Nationalpark Coyhaique, und übernachten an der Laguna Verde, einem kleinen See, den man in einer Dreiviertelstunde umlaufen kann.

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