Wir geben Gas

Von Isla Negra geht es die Küste entlang weiter, den größten Teil über asphaltierte Wege, manchmal über Piste. San Antonio mit seinen großen Verladekränen hat in Bezug auf den Warenumschlag Valparaiso den Rang angelaufen und ist inzwischen der größte Hafen Chiles.

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Der noble Ort Rocas de Santo Domingo südlich von San Antonio könnte mit seiner Ruhe ausstrahlenden Exklusivität und dem Golfplatz genauso gut in Kalifornien liegen und richtig, wie wir im Copec Guide später nachlesen, die Architekten Smith Solar & Smith Miller haben den Badeort nach dem Modell von Palos Verdes, CA, geplant. Auf den dunklen Felsen oberhalb des Meeres stehen wunderschöne Anwesen auf großen gepflegten Grundstücken mit altem Baumbestand, die von den örtlichen Gärtnern auch außerhalb der Saison bestens gepflegt werden. Ansonsten wirkt der Ort ausgestorben.

Mit Pichilemu erreichen wir das einstige Seebad des chilenischen Landadels. Der palmenbestandene Parque Agustin Ross Edwards und das Spielcasino zeugen noch von der aristokratischen Vergangenheit des Ortes Ende des 19ten Jahrhundert. Heute steht jedoch ein anderer Ortsteil im Zentrum der nationalen und internationalen Aufmerksamkeit. Punta de Lobos ist eine kakteenbewachsene Felsnase, die wenige Kilometer südlich des Küstenstädtchens ins Meer ragt und ein Treffpunkt der Surfelite ist. Die Pazifikwellen hier gelten als die besten Südamerikas. Da Punta de Lobos fast auf dem Weg liegt fahren wir am späten Nachmittag auf einen Sprung zum Zuschauen hin. Nachdem sich die surfistas in ihren dicken Neoprenanzügen mit ihren boards durch weißschäumendes Wasser zunächst bis zu einer scharfkantigen Felsinsel durchgekämpft haben stürzen sie sich in die bis zu zehn Meter hohen Röhrenwellen. Für die Könner unter ihnen lohnen sich die Mühe und das Risiko, denn die Wellen sind lang, bilden schöne Tunnel und legen einen weiten Weg zurück, bis sie am breiten Strand mit Getöse brechen. Viele Ausländer haben sich aufgrund der buena onda, der guten Welle, und der sorglosen Stimmung hier im Surf-Mekka Chiles inzwischen fest oder mit einem zweiten Wohnsitz niedergelassen.

Knapp zwanzig Kilometer weiter südlich dagegen wird in Cahuil noch ganz archaisch Salz per Hand gewonnen. Entlang der großen, von Ebbe und Flut geprägten Lagune wird auf Verdunstungsfeldern dem Wasser das Salz entzogen, welches dann von den gegerbten Arbeitern in große Säcke geschaufelt wird.

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Unsere Fahrt führt uns zunächst weiter durch einige winzige Fischerdörfer wie Bucalemu und Boyeruca, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, und dann über Piste durch große kommerzielle Kiefernplantagen, die die ursprüngliche Vegetation der Küstenkordillere hier ersetzt haben. Die Wellblechpiste ist so hart, daß Hugo Luft aus den Reifen lässt; mit 25% weniger Druck fährt es sich deutlich angenehmer.

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In der blühenden Landschaft stehen gewaltige Forst- und Holzverarbeitungsbetriebe, die von schwerbeladenen LKW mit frisch geschlagenen Stämmen im Halbstundentakt beliefert werden. Immer wieder sehen wir große Werbeplakate für ein deutsches Produkt: Stihl Kettensägen. Bei unserem Versuch, den Weg über Ziehwege in den dichtbewachsenen Plantagen abzukürzen, verfransen wir uns kurz vor Einsetzen der Dämmerung beinahe hoffnungslos. Weder Karten noch Navi-Software geben in den tief eingeschnittenen Tälern mit den hochwachsenden Bäumen auch nur annährend eine Orientierungshilfe. Bevor es zu dunkel wird entscheiden wir uns, umzukehren und die „vernünftige“ Strecke zum Lago Vichuquén zu nehmen. Zeit zu verbummeln können wir uns nicht leisten, denn wir sind am 15ten in Osorno mit DerNachbar verabredet und müssen uns gewaltig sputen, um die Strecke bis dorthin noch zeitig zu schaffen.

Von Vichuquén aus ist das Meer über die Piste schnell erreicht. Hier sind an den langen, flachen Stränden, ganz besonders in Lloca und Caleta Duao, noch immer die Spuren des Tsunamis im Februar 2010 zu sehen und es wird noch eine Weile dauern, bis sich dieser Küstenabschnitt ganz erholt hat. Die Zeit scheint hier langsamer zu laufen und wir bekommen einen schönen Einblick in das ländliche, geruhsamere Chile. Die Fischer und Bauern transportieren hier teilweise ihre Waren wie zum Beispiel handgemachten Käse, Papayas oder Erdbeeren noch mit Ochsenkarren.

Bei Pelluhue mit seinem langen, schwarzsandigen Strand nördlich der Industrie- und Kohlestadt Concepción schlagen wir einen Haken landeinwärts und fahren bei Parral, das ein bisschen anmutet wie eine Westernstadt, wieder auf die vierspurige mautpflichtige Panamericana, die hier mittig von Nord nach Süd durch Chile verläuft. Hier gibt es nur zwei Richtungen:

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Je weiter nach Süden wir kommen desto grüner wird die Landschaft. Neben Weizenfeldern und Obstplantagen fahren wir auch entlang großer bewässerter Reisfelder. Wenn wir links aus dem Fenster blicken reiht sich wie auf einer Perlenkette ein schneebedeckter Vulkangipfel an den anderen, das Panorama vor dem blauen Himmel ist wunderschön.

Siebzig Kilometer südlich von Chillán unternehmen wir einen kleinen Abstecher zum Salto del Laja, den größten Wasserfällen Chiles. Kein Vergleich mit Iguacu, aber die Wasserwand, die sich fünfzig Meter tief in eine enge Schlucht stürzt, ist immerhin einhundert Meter breit und durchaus beeindruckend.

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Irgendwann unterwegs stellen wir fest, daß unsere Truma-Heizung in der Kabine nicht mehr funktioniert. Zu dumm, denn sie bereitet auch zehn Liter 60 Grad warmes Wasser für die Dusche auf. Alle Versuche, den Fehler zu finden und zu beheben, bleiben ergebnislos. Die Fehlermeldung in Form eines Strichcodes lässt siebzig !!! verschiedene Fehlermöglichkeiten zu, aber die Heizung kann nur maximal 15mal neu gestartet werden. Wir wenden uns an den Hersteller in Deutschland und nach einigen Telefonaten lassen wir uns einen neuen Brenner und eine neue Steuerung nach Coyhaique an der Carretera Austral schicken.

Die letzten vierhundert Kilometer bis Osorno geben wir mit Maximalgeschwindigkeit von 75 kmh auf der PanAm Gas und erreichen die Plaza de Armas im Stadtzentrum pünktlich am Samstag Nachmittag um 15.00 Uhr. DerNachbar, der die Tage auf Chiloé verbracht hat, sitzt im Schatten großer Bäume entspannt auf einer Bank. Perfektes Timing.

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