Zurück in Chile

Wir verabschieden uns von Guadalupe und Paul, verlassen Tacna und überqueren schon nach wenigen Kilometern die Grenze zu Chile. Die Ausreise aus Peru ist schnell und unkompliziert, aber die Einreiseformalitäten nach Chile sind dieses Mal langwierig. Wir spüren sofort: Hier tickt die Uhr anders. Eine freundliche Grenzbeamtin fängt uns schon vor den verschiedenen Schaltern ab und erklärt das Procedere. Mit ihrem Outfit könnte sie ohne Überarbeitung durch Stylisten und Visagisten sofort in jeder CSI-Serie mitspielen: Dunkelblauer, mit Goldborten und – Knöpfen abgesetzter Hosenanzug, der auf Figur geschneidert sein muß, so tadellos und faltenfrei wie er sitzt, dazu eine ebenfalls goldbesetzte Polizeimütze im gleichen Farbton, die dunklen Haare zu einem eleganten Knoten im Nacken frisiert, mit leuchtend rotem Lippenstift makellos geschminkte Lippen, dazu die anscheinend für alle südamerikanischen Beamten obligatorische Pilotenbrille mit Goldrand und Vollverspiegelung. In Jeans und T-Shirt fühlen wir uns in ihrer Gegenwart leicht underdressed…

Nachdem ich vier verschiedene Stationen in unterschiedlichen Gebäuden abgelaufen habe, um alle erforderlichen Stempel für die Einreise von Fahrzeug und uns zu erhalten, müssen wir noch eine eidesstattliche Erklärung über die mitgeführten Produkte/Lebensmittel ausfüllen und unterzeichen. Dann wird der Wagen von einem Beamten geprüft. Wir kennen dies bereits von der vorherigen Einreise und haben bewusst leicht auffindbar ein paar Bananen, Avocados und Kartoffeln deponiert, damit der Beamte schnell was findet und gar nicht erst auf die Idee kommt, nach dem Fleisch im Kühlfach, der Mango in der Handtasche, dem Honig unterm Bett und den Chia-Samen unter den Handtüchern zu suchen, vom Coca-Tee aus Bolivien ganz zu schweigen. Wie erwartet werden Bananen, Avocados und Kartoffeln konfisziert, dann erhalten wir die Freigabe, dürfen weiterfahren und am letzten Kontrollpunkt wird uns das Formular mit den vielen Stempeln wieder abgenommen.

Die nördlichste Stadt Chiles und eine der ältesten Siedlungen des Landes ist Arica, nur eine gute halbe Stunde Fahrt von Peru entfernt. Lange vor der Ankunft der Spanier trieben die hier lebenden Indianer regen Handel mit den Völkern im Andenhochland und über den alten Handelsweg entlang des Azapa-Tales verläuft heute eine asphaltierte Straße nach Bolivien. Die Spanier legten hier einen Hafen an, um das Silber aus den Minen von Potosi leichter verschiffen zu können. Heute wird Arica von Kreuzfahrtschiffen, die im Sommerhalbjahr auf der legendären Kap-Hoorn-Route rund um Südamerika reisen, gelegentlich besucht.

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Bei unserem ersten kurzen Besuch Chiles hatten wir vor einigen Wochen an einem der Strände im Süden Aricas übernachtet, uns die Stadt selbst aus Zeitmangel aber nicht angesehen. Dies holen wir jetzt nach und sind sehr überrascht. Hier finden wir den gleichen „Drive“, die gleiche Emsigkeit, die uns schon in Iquique aufgefallen war. Anders als in Bolivien oder Peru besitzen die Chilenen eine ausgeprägte „Aufsteigermentalität“. Am wirtschaftlichen Erfolg bemisst sich auch der persönliche eines jeden Einzelnen. Nicht nur in diesem Punkt ist die Nähe zum europäischen oder US-amerikanischem Lebensstil auffällig. In Arica finden wir neben dem klassischen mercado publico mit der schmalen Calle Bolognesi auch eine schöne gepflegte Fußgängerzone mit vielen Geschäften, Restaurants und Cafes und der Supermarkt braucht in puncto Größe und Sortiment den Vergleich mit einem real oder Walmart nicht zu scheuen.

Sehenswert ist die Iglesia San Marcos, die als Fertigbau-Konstruktion vollständig aus Eisen von Alexandre Eiffel hier 1875 errichtet wurde. Es klingt seltsam, als wir an die Wände klopfen. Auch vom deutschen Einfluß finden sich heute noch Spuren: An der Wasserfront steht auf dem ehemaligen Bahnhofsvorplatz eine alte Lokomotive aus der Maschinenfabrik Esslingen, welche um 1925 den Zug auf der Strecke zwischen Arica und La Paz in Bolivien zog.

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Im Norden der Stadt liegt ein kilometerlanger, fast menschenleerer Sandstrand, der zum Sonnenbaden und Faulenzen einlädt. Nur einige hartgesottene Surfer in dicken Neoprenanzügen wagen sich mit ihren Boards ins Wasser, denn die Fluten des Humboldtstromes sind um diese Jahreszeit noch eiskalt.

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