Beschwingt unterwegs

Auf unserem Weg nach Santiago liegt das Valle de Colchagua, aus welchem die meisten aller preisgekrönten chilenischen Tropfen stammen. Hier, nicht weit vom Meer entfernt, gibt es genügend Feuchtigkeit und im Sommer brennt die Sonne über Monate unbarmherzig. Ideale Bedingungen für feine Weine. Rund zwanzig Weingüter produzieren in dieser Region mit der Devise Klasse statt Masse vollmundige und samtige Rotweine aus den Rebsorten Cabernet-Sauvignon und Merlot und der in Europa durch die Weinpest Mitte des 19ten Jahrhunderts ausgestorbenen kräftigen Sorte Carmenère.

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Europäische Winzer wurden ob der wachsenden neuen Konkurrenz aus dem Land hinter den Anden hellhörig. Bevor man Anteile am Weltmarkt riskiert geht man doch lieber mit dem Feind ins Bett. Besonders französische Weingüter erkannten die Qualität und das große Potenzial der chilenischen Weine und kauften sich bei alteingesessenen Bodegas ein, wie zum Beispiel bei der Bodega Clos Apalta der Vina Lapostolle, die wir uns für eine Weinprobe ausgesucht haben und die mit dem Slogan wirbt „French in Essence, Chilean by Birth“. Cyril de Bournet und seine Frau Alexandra Marnier Lapostolle, die Nichte des Likör-Herstellers Alexandre Marnier Lapostolle (Grand Marnier), kauften 1994 eine alte bestehende Vina zweihundert Kilometer südlich von Santiago und führen diese seitdem unter streng biologischen und biodynamischen Gesichtspunkten. Der Zertifizierungsprozeß unter der Kontrolle eines deutschen Instituts dauerte allein sieben Jahre.

Die moderne Bodega auf altem Grund und mit alten Reben ist ein architektonisches Meisterwerk. Sie wurde in einen großen Granitfelsen hineingesprengt, ist mit sechs Etagen insgesamt 25 Meter tief und arbeitet ausschließlich mit Schwerkraft, so daß der Most ohne Pumpen in den Weinkeller gelangt. Dank ihrer besonderen Architektur überstand die Bodega bisher jedes noch so schwere Erdbeben. Umliegende Kellereien im klassischen Stil erlitten dagegen so schwere Schäden, daß sie bis zu einem Jahr Ausfallzeit überstehen mussten.

Von der höher gelegenen Bodega schaut man auf die Weinfelder. Die Trauben von Vina Lapostolle werden über einen Erntezeitraum von zwei Monaten Sorte für Sorte handgepflückt, dann von achtzig Frauen handverlesen und anschließend in große Behälter gegeben, die wiederum in voluminöse Eichenfässer gekippt werden. Allein durch ihr Eigengewicht und die Schwerkraft werden die Trauben entsaftet. Insgesamt wird auf diese Weise ein Rotwein produziert, der nicht in modernen Edelstahlbehältern reift, sondern in 450 Fässern aus französischer Eiche. Diese befinden sich tief im Fels auf Etage 3 und 4 und der Wein ruht hier zwei Jahre. Der abschließenden Qualitätskontrolle halten schlussendlich dann gerade einmal 250 Fässer stand, die dann als Spitzenwein Clos Apalta in den Handel kommen.

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Nach dem wir uns im „Felsenturm“ Etage für Etage heruntergeschraubt haben findet im fünften Stock die Weinverkostung statt. Als wir den stimmungsvoll illuminierten Raum betreten haben wir das Gefühl, in einem Planetarium zu sein. Die Decken sind aus gewölbtem Naturholz, ins Holz eingelassene kleine Lämpchen leuchten dezent wie ein Sternenhimmel und die schlichten Eichenfässer mit dem eingebrannten „Lapostolle“-Zeichen geben der Weinprobe einen wunderschönen Rahmen.

Wir verkosten drei Weine, die Proben sind üppig bemessen, und besonders der Clos Apalta ist merklich ein Schwergewicht. Hier beim Erzeuger kostet die Flasche USD 120. Auch bei dem stolzen Preis: Nur vom Clos Apalta allein kann die Vina Lapostolle nicht leben, daraus macht das Familienunternehmen auch keinen Hehl. Ganz offen erzählt man uns, daß der Gewinnbringer ein nahegelegenes, ebenfalls zum Unternehmen gehörendes Weingut ist, welches pro Jahr 2,5 Millionen Flaschen Rotwein mit dem Handelsnamen Cuvée Alexandre und einen Weißwein Casa Gran Reserva für den Massenmarkt produziert.

Im sechsten und letzten Stockwerk der Kellerei und über eine indirekt beleuchtete Treppe im Boden ist der ganz private Weinkeller der Marnier Lapostolles untergebracht. Hier ruhen einige besondere gustatorische Schätze, sehr alte Cabernets und Carmeneres. Für uns heißt es leider: Betreten verboten.

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Als wir nach der Besichtigung beschwingt die Vina verlassen wartet am Fuße des Weinberges eine Überraschung auf uns – die Polizei. Vorsätzliche Alkoholkontrolle, das hat als krönender Abschluß noch gefehlt. Ich lege mir schon auf Spanisch eine halbswegs glaubwürdige Erklärung für unsere kaum zu ignorierende Fahne zurecht, aber es kommt dann anders: Ein Wagen ist von der staubigen Straße abgekommen und mit Blechschaden im Graben gelandet. Die Polizei ist nur der Freund und Helfer … und wir fahren winkend und lächelnd vorbei.

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