Parque Nacional Los Glaciares

Wir verlassen Chile über die kleine Grenzstation Cerro Castillo und fahren dem nächsten Juwel entgegen, um es unserer Reiseschmuckschatulle hinzuzufügen, in der schon reichlich kostbare Beute ruht. Das südliche Tor zum Parque Nacional Los Glaciares, seit 1982 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt, ist El Calafate, benannt nach dem hier wachsenden Calafate-Strauch mit seinen blauen, herb-süßen Beeren, die zu Likör, Marmelade oder Eis verarbeitet werden.

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Die Fahrt führt östlich der Anden wieder einmal durch unendlich einsame, leicht hügelige Pampa.

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Viele der patagonischen Gletscher sind hier rund um den milchig-blauen Lago Argentino und den Lago Viedma zu finden: der Viedma-Gletscher, der Huemul-Gletscher, der Spegazzini-Gletscher, die Gletscher Marconi, Onelli, Agassiz und Bolado und natürlich die beiden bekanntesten Gletscher, der Perito Moreno und der Uppsala.

Als wir uns El Calafate nähern werden wir von einer Gruppe australischer Oldtimer überholt, die wie kleine bunte Käfer fröhlich über den Asphalt flitzen.

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Ehemals ein staubiges Handels- und Versorgungszentrum für die umliegenden Schaffarmen ist El Calafate heute mit 250.000 Besuchern pro Jahr ein touristisches Mekka. Innerhalb von zehn Jahren nach Eröffnung des kleinen Flughafens hat sich die Einwohnerzahl des Ortes mehr als verdreifacht, trotzdem wirkt er lange nicht so überfüllt wie wir in der Hochsaison erwartet haben. Die Infrastruktur stimmt: Viele Geschäfte mit hochwertiger Outdoor-Bekleidung und sehr gute Restaurants mit kulinarischen Spezialitäten der Region säumen die Hauptflaniermeile Libertador. Wir genießen eine in Malbec und mit Pflaumen geschmorte Lammkeule und haben pro Person mindestens ein halbes Kilo zartes Fleisch auf dem Teller. Köstlich!

Der unbestrittene Star unter den Gletschern ist der Perito Moreno, rund sechzig Kilometer von El Calafate entfernt und eine der vielen blau-weißen Zungen des südlichen patagonischen Eisfeldes, welches sich über fünfhundert Kilometer entlang der Grenze von Chile und Argentinien erstreckt. Dieses Inlandeis mit einer Fläche von 13.000 Quadratkilometern speist über fünfzig Gletscher, von denen dreizehn auf der Ostflanke der Anden in argentinische Seen münden. Der Perito Moreno ist nicht nur von atemberaubender Schönheit, sondern einer der wenigen Gletscher weltweit, die entgegen dem Trend des Gletschersterbens derzeit an Masse zulegen.

Attraktiv macht ihn auch seine leichte Erreichbarkeit. Von den Holz- und Stahlstegen gegenüber der Zunge kann man das Eis fast berühren. Von der untersten Plattform lässt sich die Abbruchkante der fünf Kilometer breiten und über sechzig Meter hohen Gletscherzunge sehr schön und ohne Risiko beobachten.

Große Tafel warnen vor dem Überklettern der Absperrung: Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen durch die spektakulär mit viel Getöse herabstürzende Eisbrocken, teilweise von der Größe eines Hauses. In zwanzig Jahren haben durch Leichtsinn auf diese Weise 32 Menschen ihr Leben verloren.

Das Eis des Perito Moreno ist makellos, da es kaum schmutzig-graue Spuren von Moränen gibt. An Stellen, wo das Eis alt und extrem komprimiert ist, schimmert es in einem unwirklich leuchtenden Blau, als ob es von innen heraus angestrahlt würde. Die Oberfläche des Gletschers sieht mit ihren weißen Spitzen wie die Eischneedecke eines lime pie aus.

Der Tag unter dem strahlend blauen Himmel ist mehr als perfekt, als dann noch ein Kondor über dem Gletscher majestätisch seine Kreise zieht.

Auch wenn der Perito Moreno derzeit noch wächst: Das heutige Sterben der Gletscher in einem nie dagewesenen Tempo ist verstörend und beängstigend. Der studierte Geomorphologe James Balog, der lange Zeit selbst nicht richtig an das Gletschersterben durch Klimawandel glauben konnte und daher der Frage wissenschaftlich auf den Grund ging, hat  Belege des Massensterbens gesammelt und in seinem Film- und Fotoprojekt Chasing Ice eindrucksvoll dokumentiert. Seine Zeitrafferaufnahmen von Gletschern in aller Welt machen den Klimawandel sichtbar und unstrittig. Der Film überzeugt und macht betroffen. Vielleicht sind Gletscher in naher Zukunft nur noch kalte Erinnerungen.

Mehr Informationen zum Film unter http://www.zeit.de/kultur/film/2013-11/film-doku-chasing-ice-james-balog

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