Pamparitt oder Pampalapapp

Unser nächstes Etappenziel ist Puerto San Julian an der Atlantikküste und die Fahrt dorthin wird uns quer durch Argentinien über die zentrale Hochebene führen. Das erste Teilstück, die Ruta 40 bis Gobernador Gregores, hat einen guten Asphaltbelag und wir jagen mit schwindelerregenden 75 km/h über die Straße. Anschließend liegen rund 200 Kilometer Piste vor uns. Je tiefer wir ins Landesinnere vordringen desto einsamer und wüstenhafter wird die Landschaft. Winzige Ortschaften mit nicht mehr als einer Hand voll Häuser liegen einhundert Kilometer und mehr auseinander. Die Pampa in dieser Region östlich der Andenkette ist auf den ersten Blick zwar eintönig, aber noch nicht langweilig. Die Perspektive ändert sich von Moment zu Moment und aus der wüstenhaften Ebene erheben sich Tafelberge, die wie überdimensionale Ziegelsteine in der Sonne rostrot bis aubergine schimmern. Wir sehen die schneebedeckten Gipfel der Anden wie große, am Horizont treibende Eisberge gemächlich vorbeiziehen.

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Da sich die Landschaft vordergründig kaum verändert scheint es, als wäre ein Kulissenschieber am Werk. Es sind die gleichen Gipfel, auf deren regnerischer Pazifikseite wir schon bis zum Ende der Carretera Austral gefahren sind. Auf ihrer argentinischen Seite liegen der Monte Fitz Roy und, weiter im Süden, der Nationalpark Los Glaciares mit dem Gletscher Perito Moreno und der Nationalpark Torres Del Paine. Wir lassen diese Highlights zunächst rechts liegen und heben sie uns für die Rückfahrt auf.

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Während wir mit Höchstgeschwindigkeit über die Ruta 40 zu fliegen scheinen sehen wir immer wieder kleine und größere Herden von Guanakos, die zu Tausenden die Savanne bevölkern und auf der Suche nach Nahrung umherstreifen. Um diese Jahreszeit sind viele halbwüchsige Jungtiere dabei.

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Die ausgewachsenen Tiere mit den ausdrucksvollen dunklen Augen haben das Schultermaß eines kleinen Pferdes, aber einen deutlich schmaleren Körperbau. Auf dem steinigen Boden der Pampa gedeiht nicht viel, aber die Tiere sind sehr genügsam und das wenige Wasser, was sie benötigen, ziehen sie aus den Pflanzen.

Die zum Schutz der Autofahrer vor Wildunfällen beidseitig eingezäunte Ruta 40 führt durch ihr Weiderevier, aber die Zäune halten die Tiere mit ihren langen Beinen nicht vom Wechsel ab. Auch in der Pampa scheint das Gras auf der anderen Seite grüner zu sein…

Wir sehen Guanakos an der Straße, auf der Straße, vor dem Zaun, hinter dem Zaun und leider auch häufig über dem Zaun. Immer wieder geschieht es, daß Tiere beim Versuch, die hohen Zäune zu überspringen, mit ihren langen Hinterläufen am Draht hängenbleiben, nicht mehr freikommen und dann elendig verhungern oder sich zu Tode strampeln. Übrig bleiben nur die Knochen und das Fell.

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Lustig anzuschauen sind dagegen die Familien der flugunfähigen Nandus, die hier in Argentinien Rhea heißen. Mütter mit bis zu zwanzig Jungen picken seelenruhig am Straßenrand in den Gräsern, sprinten aber blitzartig los, sobald sie das Brummen des Unimogs hören oder seine Vibrationen spüren. Mit ihren langen, kräftigen Beinen sind sie sehr schnell und liefern sich ein regelrechtes Wettrennen mit uns.

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Gobernador Gregores entpuppt sich als staubiges Drecknest, das nicht zum Verweilen einlädt. Durch den ständigen Wind verteilt sich der Müll besonders effizient und die vielen dünnen Plastiktüten verteilen sich Kilometer weit in die Steppe hinein, bis sie an einem der niedrigen Büsche hängenbleiben und dort für Jahrzehnte wie rosa Fähnchen im Wind wehen. Bis Puerto San Julian liegen jetzt noch rund zweihundert Kilometer Piste vor uns, die zunehmend schlechter wird. Auf den letzten siebzig Kilometern bis zur ersehnten Atlantikküste wechselt Wellblech zu tiefen Spurrillen im groben Kies und betonhartem trockenen Schlamm. Dazu bläst unaufhörlich der Wind. Die Fahrerei ist mühsam; Spaß geht anders. Dazu hat die Landschaft auf 360 Grad die Farbe von aufgewärmter Erbsensuppe angenommen und ist an Monotonie kaum noch zu übertreffen. Wir haben nach Stunden den Eindruck, wie auf einem Simulator auf der Stelle gefahren und keinen Meter vorwärts gekommen zu sein. Auge und Geist sind irgendwann völlig erschöpft, das Gehirn hat sich im Leerlauf heiß gelaufen und wir haben jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Die einzige Abwechslung ist eine große Herde wilder Pferde, die fast geisterhaft plötzlich aus dem braungelben Einerlei auftaucht, vor uns gelassen die Piste überquert, um dann galoppierend am Horizont zu verschwinden.

Wir sind froh, als wir am späten Nachmittag die weite Bucht von Puerto San Julian türkisfarben vor uns liegen sehen. Im März 1520 lief hier die Flotte Magellans zum Überwintern ein und in Erinnerung an diese Zeit liegt heute an der Uferpromenade eine Replik der Nao Victoria in Originalgröße. Mit 25 Metern Länge war der Segler nicht mehr als eine Nussschale, aber sie kehrte 1522 als einziges der fünf Schiffe mit knapper Not und wurmzerfressen von der ersten vollständigen Weltumsegelung nach Andalusien zurück. Ruhm und Opfer waren gleichermaßen groß: Von insgesamt 256 Seeleuten hatten nur 18 die Expedition überlebt.

Nach einem Bummel über die windumtoste Promenade setzen wir unsere Fahrt durch die Pampa mit dem nächsten Etappenziel Rio Gallegos in 350 Kilometern Entfernung fort. Wir sind wieder auf der Panamericana unterwegs, die wir bis zu ihrem letzten Meter bis Ushuaia fahren werden. Aber bevor wir mit der Fähre über die Magellanstraße nach Feuerland übersetzen gönnen wir uns noch einen Besuch bei den … Happy Feet.

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